Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
einem gemäßigten gegeben. Ein gemäßigter Schwarzenführer, war das nicht ungefähr so etwas Lächerliches wie ein kastrierter Pudel?
»Ich wäre da vorsichtig«, sagte Hermann. »Wir kennen die Verhältnisse in Simbabwe nur aus Fernsehberichten und Zeitungsartikeln und nicht aus eigener Anschauung, und vielleicht will auch der Mugabe sich nur bereichern ...«
»Na, und wenn schon!« sagte ich. »Weshalb sollten sich denn nicht auch mal die Afrikaner an den afrikanischen Bodenschätzen bereichern?«
Da hätte ich auch wieder recht, sagte Hermann. »Aber warten wir’s mal ab ...«
Aus Melle, wo sie Tante Gisela und den Dellbrügge besucht hatte, kam Oma Jever mit dem Zug nach Meppen. Immer noch in Schwarz.
Im Obergeschoß in der Mühlenstraße in Jever sei eine nette Familie eingezogen. Vater 43, Mutter 35 und die Töchter zwölf und dreizehn, erzählte Oma, aber mit der Mutter von dem Dellbrügge war sie in Melle nicht gut ausgekommen. Ewig unzufrieden sei die, mit allem und jedem, von der Frühstücksmarmelade angefangen bis zur Leberwurst beim Abendbrot.
Nee.
Frau Lohmann hatte Mama und Oma zu einem Kaffeekränzchen eingeladen, und ich rief Mama von der Haustür aus nach:
»Fahr aber vorsichtig! Ohne Schleudertrick!«
»Ach, halt doch deinen Mund«, rief Mama zurück.
Von dem Schleudertrick hatte sie Oma Jever vermutlich noch gar nichts erzählt.
Am nächsten Morgen reiste Oma in aller Frühe wieder ab. Zweieinhalb Tage Meppen hatten ihr gereicht. Mir hätten schon zehn Minuten gereicht, aber jetzt waren’s bald fünf Jahre Meppen, die ich auf dem Buckel hatte. Fünf Jahre in einer der elendesten Außenstellen der abendländischen Kultur. Schwächere Teenager als ich wären daran zerbrochen. Mich dagegen hatten diese Jahre hartgemacht: Mir konnte keiner mehr was vorgaukeln über die Schönheit des Landlebens.
Der neueste Brief von Michael war kurz.
»Das alles brauchst Du Deinen Eltern ja nicht zu erzählen.« Brauch ich wirklich nicht, denn meine Mutter hat in schändlichster Weise das Briefgeheimnis verletzt. Hat aber nicht viel gesagt.
Wenn wir aus der Herberge in Florenz tatsächlich rausgeworfen werden und es mit dem Draußenpennen nicht so recht klappen sollte (Regen gibt’s ja auch noch): In Lucca, oder vor Lucca, ist noch ’ne Herberge. Ist sogar relativ nah am Meer dran, etwa 10 km, und nur 40 km von Florenz weg.
Mein Schlafsack (oder besser: der von meiner Schwester) eignet sich auch nicht zum Draußenpennen. Davon würde der bestimmt kaputtgehen. Also bring Euren zur Sicherheit mal mit.
Jetzt ist nur noch die Frage, wie wir um 12 Uhr nachts vom Mallendarer Berg nach Koblenz kommen. Da muß ich meinen Vater mal anhauen. Normalerweise schläft der nämlich um diese Zeit. Harald hatte bis vor einer Woche zwar noch ein Auto, aber damit ist er in eine Leitplanke geknallt und eine Böschung hoch und hat sich auf die Seite gelegt. Na, mein Vater macht das schon.
Wie lange sollen wir denn nun wegbleiben? Immer noch zehn Tage? Muß ja wissen, wieviel Kies ich brauche. 130 DM hab ich mir bereits zusammengeknausert. Und ich werde einen Spirituskocher mitbringen und mich als Euer aller Leibkoch betätigen.
Adio o sole mio stuzzicadenti Firenzi.
Irgendwie gefiel mir auch Maren Hohoff gut. Die war in meinem Lateinkurs, und eines Tages stand ich auf dem Schulhof zufällig dabei, als sie den Holzmüller zur Minna machte, weil der was Abfälliges über die Beatles gesagt hatte. Punkt eins.
Punkt zwei: Maren Hohoff hatte mehr Sommersprossen als eine gewöhnliche Bilderbuchschönheit, um die sich alle Jungen gerissen hätten. Ich fand gerade diese Sommersprossenvielfalt attraktiv, und vielleicht waren Maren Hohoff und ich ja füreinander bestimmt – sie mit ihrer burschikosen Art und ihren Sommersprossen und ich mit der Fülle des verborgenen Reichtums meiner Persönlichkeit.
Und Punkt drei: Am Fahrradständer hatte Maren Hohoff sich einmal meine Luftpumpe ausgeborgt und mir beim Zurückgeben derselben mit der Hand auf die Schulter geklopft.
Aus Mamas Bücherschrank zog ich einen Band mit Gedichten von Heinrich Heine heraus.
Schöne Wiege meiner Leiden,
Schönes Grabmal meiner Ruh,
Schöne Stadt, wir müssen scheiden, –
Lebe wohl! ruf ich dir zu.
So weit hatte ich es, was Meppen anging, leider noch nicht gebracht.
Manches war schlicht zum Kotzen:
Warum bin ich selbst so krank und so trüb,
Mein liebes Liebchen, sprich?
O sprich, mein herzallerliebstes Lieb,
Warum verließest du
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