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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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ging ich ins Bett und pennte augenblicklich ein.
    Im Traum war ich todmüde durch Florenz geirrt und hatte mitten in der Nacht bei strömendem Regen an dem abgesperrten Eisentor gerüttelt. Für mich bedurfte es danach keiner weiteren Erörterung der Freudschen These mehr, daß jeder Traum eine Wunscherfüllung sei.
    In der Einfahrt eierte Wiebke auf den Rollerskates rum, die sie zur Konfirmation erhalten hatte.
    Mama schüttelte den Kopf darüber, daß ich nicht in den »Uffizien« gewesen war. »Hat der Mensch Worte? Du kriegst ’ne Reise nach Florenz geschenkt und läßt eine der berühmtesten Kunstsammlungen der Welt links liegen? Also, ich muß schon sagen! Da hört sich doch wohl alles auf!«
    Und es ging noch weiter: Auch Oma Jever, sagte Mama nach einem Telefonat mit ihr, sei erschüttert von meinem Kunstbanausentum. »Nach Florenz fahren und die Uffizien nicht besuchen! Unsereinem hätte sowas mal geboten werden sollen in deinem Alter!«
    Die Uffizien, die Uffizien, die Uffizien! Was hätte ich davon gehabt, einen Haufen Heiligenbildnisse und Kreuzigungsgemälde zu beglupschen? Und Mama und Oma, ey, die sollten nicht so tun, als ob sie sich brennend für italienische Malerei interessierten. Verbrachten die denn ihren Feierabend jemals mit dem Studium der Kunstgeschichte? Mit einem Folianten auf dem Schoß, im Schein der Leselampe? Nee. Sie hockten vor der Glotze und kuckten Thoelke, Kulenkampff & Co., und zwar an 365 Tagen im Jahr; Familienfeiern ausgenommen.
    Beim Klamottenauspacken stellte ich fest, daß die »Traumdeutung« etliche Dreckflecken und Knicke abbekommen hatte. Alles nur von diesem Scheißherumgereise.
    In Melle hänge der Haussegen schief, sagte Mama. Da werde Tante Gisela wohl die längste Zeit gewesen sein. Und Tante Therese habe noch einmal operiert werden müssen, aber die sei unverwüstlich. Eine echte Lüttjes.
    Drei Bücher von Erich Fromm waren in der Georg-Wesener-Straße angekommen. »Die Kunst des Liebens«, »Anatomie der menschlichen Destruktivität« und »Haben oder Sein«. Adolf Hitler, schrieb Fromm, habe sich daran aufgegeilt, nackt von Frauen getreten zu werden. Da wußte er mehr als der Historiker Allan Bullock, in dessen Hitler-Biographie von solchen Eskapaden nichts gestanden hatte.
    Bei der Wahl zwischen Haben und Sein legte Erich Fromm den Lesern das Sein ans Herz:
    Die Grundlage für Liebe, Zärtlichkeit, Mitleid, Interesse, Verantwortung und Identität ist das Sein, nicht etwa das Haben …
    Lebe glücklich, lebe froh (dieser alte Vers fiel mir dabei wieder ein), wie der König Salomo, der auf seinem Throne saß und verfaulte Äpfel fraß.
    Je mehr man sich des Verlangens nach Besitz in allen seinen Formen und besonders seiner Ichgebundenheit entledigt, um so geringer ist die Angst vor dem Sterben, da man nichts zu verlieren hat.
    Abgesehen vom Leben. Ich wollte aber gern noch leben, und am liebsten als Multimilliardär in einer Villa voller Bücher und dazu in einem Harem voller schöner Frauen. Meiner Ichgebundenheit hätte ich mich dann als Sterbender wahrscheinlich leichter entledigen können als in der Identität einer armen Kirchenmaus. Satt und zufrieden zu sterben, nachdem man den Kelch bis zur Neige geleert hatte, das war doch vermutlich angenehmer als ein Hungertod in der Gosse.
    Der neue Mensch, erklärte Erich Fromm, werde Freude aus dem Geben und Teilen schöpfen und nicht aus dem Horten und der Ausbeutung anderer. Alles prima und richtig, aber wo und wie man mit dem Aufbau der neuen Gesellschaft anfangen sollte, das war die große Frage.
    Am letzten Osterferientag war das Fernsehprogramm so schlecht, daß Mama die Kiste ausmachte und auf dem Terrassentisch eine Flasche Weißherbst öffnete. Ein Glas für Papa, eins für Mama, eins für mich und für Wiebke einen Becher Kaba, weil sie für Alkohol zu klein war und den sowieso nicht abkonnte.
    »Na denn«, sagte Mama, »auf unser Wohl!«
    Wir stießen an, und dann sagte Papa, daß der Herbert Gruhl ganz recht habe mit seiner Ablehnung der Sittenverwilderung. »Früher, da haben die jungen Leute einen Bund fürs Leben geschlossen, wenn sie vor den Altar getreten sind, und heute, da heißt das, so lang as dat got geiht! Nach den Prinzipien der Wegwerfgesellschaft!«
    Oje. Da hatte ich Papa ja wohl einen schönen Floh ins Ohr gesetzt mit diesem Buch von Gruhl.
    Irgendwann wurde es Mama auf der Terrasse zu kalt, und wir gingen rein.
    Um sieben Uhr morgens rückten die Dachdecker an, Stücker sechs an der

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