Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
sie höher und kam auf meiner Brust zur Ruhe.
Henrik war am Schnarchen.
»Ich liebe dich«, flüsterte Heike.
»Ich liebe dich auch«, flüsterte ich zurück und nahm mit meiner linken Hand durch die Schlafsackwülste Tuchfühlung auf, aber dann gab Henrik ein viehisches Grunzen von sich, im Schlaf, und es war klar, daß in dieser Nacht nichts mehr laufen konnte.
Sehr schön war es aber, Heikes Wangen noch einmal zu streicheln und ihr in die Arschbacken zu kneifen. Wenigstens das!
In der Nacht zog ein Gewittersturm über Ameland hinweg. Unser Zelt hielt stand, aber unser Gepäckzelt war eingekracht.
Die Typen in dem Zelt nebenan erzählten uns morgens, daß sie ihre Zeltstangen die halbe Nacht lang hätten festhalten müssen.
Mir wehte der Wind den Tabak aus dem Blättchen, in das ich ihn rollen wollte, und dieses Mißgeschick widerfuhr auch Heike.
»Schietebippel!« rief sie.
Dafür gab es aber jetzt auch meterhohe Wellen am Strand. Ich sprang furchtlos in eine hinein und verlor meine Brille dabei.
Ich Trottel! Sich mit Brillengestell in die Fluten zu stürzen!
Heike tauchte an den Grund der Nordsee und beförderte die Brille wieder herauf.
»Hier, du Mondkalb!«
Ohne Brille wäre ich aufgeschmissen gewesen.
Am 8. 8. 80 feierten wir Heikes zwanzigsten Geburtstag. (In der Mittelstufe war sie zweimal sitzengeblieben.) Wir wollten ein Amüsierlokal in dem Nachbarort Nes aufsuchen und kauften uns als Wegzehrung in einem Shop an der Strecke eine Flasche Cinzano und eine Flasche Jägermeister. Damit ließen wir uns an einem Weidezaun nieder. Heike und Henrik teilten sich den Cinzano, Schluck um Schluck, während ich den Jägermeister dezimierte, und als wir alles ausgesüffelt hatten, erklärten wir den Ausflug für beendet.
»Nach Nes, da watzen wir jetzt nich’ mehr hin«, sagte Heike.
Sicherheitshalber hakten wir einander unter, Henrik links, ich rechts und Heike in der Mitte, und trotzdem legten wir uns einmal tierisch auf die Fresse und mußten uns aus einem Bewässerungsgraben hervorarbeiten, um wieder auf die Beine zu kommen.
Danach wollte ich Heike tragen, auf den Armen, und sie kreischte: »Laß das nach!« Und lachte sich kaputt dabei.
Das Aufwachen war weniger schön. Meine Zunge hatte einen penetranten Jägermeistergeschmack, und ich mußte strullen wie ein Elefantenbulle. Als ich das erledigt hatte, eierte ich ins Zelt zurück und wäre liebend gerne wieder eingeschlafen, aber alles drehte sich um mich herum. Ich hörte Henrik furzen und Heike schnarchen, und ich hätte viel darum gegeben, meinen Schlafsack und die sandige Luftmatratze gegen ein Bett eintauschen zu dürfen und meinen Rachenraum samt Zunge gegen ein geschmacksneutrales Vakuum.
Oder besser gleich den ganzen Kopf gegen den einer gesünder lebenden Person, denn es brummte, ruckte und rumpumpelte in meinem Schädel wie in einer frühkapitalistischen Fabrik.
Als ich das nächste Mal zu mir kam, sah ich Heike in einer verqueren Haltung neben mir liegen, die Augenlider geschwollen und die Lippen verschorft.
Wozu machte man das? Urlaub an der Nordsee, heißa! Katzenjammer, Kopfweh und ’ne steife Hüfte!
Zum Frühstück, das wir am späten Vormittag im Liegen einnahmen, gab’s pappiges Knäckebrot und kohlensäurearmes Mineralwasser.
»La vie est dure, les femmes sont chères et les enfants faciles à faire«, sagte Heike.
Henrik baute einen Joint, und als wir den aufgeraucht hatten, sah die Welt schon wieder anders aus.
Sich aufrichten, vor dem Zelt, mit knackenden Gelenken, und die gute Luft einsaugen. Nicht weit entfernt von uns zeltete eine Spießerfamilie mit zwei Kindern. Die fingen sich gerade einen Rüffel ein von ihrem Paps, weil sie »Pipikaka« gesagt hatten, und aus der Zeltöffnung ragte der Steiß der fluchenden Mutter, die da am Aufräumen war.
Wie konnte man bloß so dämlich sein, ’ne Familie zu gründen, wenn man selbst aus einer kam und das ganze Elend am eigenen Leib erfahren hatte?
Henrik wollte nach Amsterdam fahren, Dope besorgen und am Sonntag wiederkommen. Das bedeutete, daß ich Heike einen ganzen Tag, eine ganze Nacht und dann noch einmal einen halben Tag für mich alleine haben durfte, während Henrik als Drogenkurier unterwegs war.
Ich hätte mich dann auch gleich nach seiner Abreise gern mit Heike im Zelt herumgewälzt, doch dazu war sie nicht aufgelegt. Sie wollte am Strand spazierengehen und über ihre Gefühle reden.
Mir, sagte Heike, würde sie mehr vertrauen als ihrem Ex-Freund
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