Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
lange sie immer dauern mag, überleben zu können im Geist der Einheit unserer Nation …«
Auch olle Genscher war wieder in seinem Element: »Zunächst muß man sagen, deutsche Ostpolitik ist Teil der gemeinsamen westlichen Ostpolitik …«
Schmidt konnte das ebenso: »Ich möchte zunächst einmal unterstreichen, was Herr Genscher gesagt hat …«
Ungefähr nach ’ner Stunde verlangte Strauß mehr Redezeit, weil er wesentlich kürzer gesprochen habe als Schmidt, aber in der Regie hatten sie die Zeiten gestoppt: Strauß fünfzehn Minuten, Schmidt zwölfeinhalb, Genscher zehn und Kohl neun.
Schmidt erinnerte an die Spiegel -Affäre, »wo Sie« – gemeint war Strauß – »hinter dem Rücken des Justizministers, des Außenministers, mit Hilfe eines Militärattachés die franco-faschistische Polizei benutzt haben, um deutsche Journalisten, die Ihnen mißliebig waren, zu verhaften«.
Gut. Sehr gut! Seine politischen Machenschaften konnten Strauß nicht oft genug unter die Nase gerieben werden.
Als Kohl von der Wehrsportgruppe Hoffmann sprach, kam er ins Rudern und sagte, daß diese Gruppe nur noch »mit medizinischen Dimensionen begreifbar« sei. Wie bitte?
Gegen Mitternacht warnte er vor dem »Marsch in den totalen Sozialismus«. Jaja. Mit dem Jusofresser Schmidt als Kommandant.
Gegen Ende ging’s am höchsten her. »Bleiben Sie mal anständig«, riet Schmidt Strauß, und der erwiderte wörtlich: »Ich bin so unappetit-, unanständig, wie Sie in der Auseinandersetzung der letzten Monate geworden sind, das hätte ich in meinem Leben mir nicht vorstellen können.« Und darauf Schmidt: »Wer hat denn das gesagt, daß der andere in die Nervenheilanstalt gehört? Das waren Sie doch wohl!« Und auch Kohl kriegte sein Fett weg: »Sie sind ein unchristlicher Zitatfälscher, Herr Kohl!« Der verbat sich diese »ungewöhnliche sozialistisch-pseudo-elitäre Arroganz«, und Schmidt schimpfte zurück: »Sie fälschen Zitate, und dann wundern Sie sich darüber, wenn jemand dazwischenfährt, Herr Kohl!«
Kohl wollte »Kassensturz machen« und »alle Etatpositionen auf den Prüfstand stellen«. Einen Einwand von Schmidt wollte er nicht hören, und dann verhaspelte er sich: »Sie haben jetzt wirklich lange genug geredet, jetzt spreche ich, und dann hat, damit wir wenigstens einigermaßen auf ausgeglichene Zeiten kommen, das ist die Wahrheit! Am Ende Ihrer Ära, am Ende Ihrer Ära kommt jedermann, wird jedermann deutlich: Sie haben über unsere Verhältnisse gelebt, und wir alle müssen die Zeche zahlen!«
Das hätte ich sehen wollen: Kohl, wie er die Zeche zahlte für die Ära Schmidt. An welchem Schalter wohl? Und aus eigener Tasche? Oder gab es dafür Schmiergeld aus der Schwerindustrie?
Seinem Vorsatz, die Boxhandschuhe am Nagel hängen zu lassen, war Muhammad Ali untreu geworden, und nun hatte er den Weltmeisterschaftskampf gegen Larry Holmes verloren, schmählich, nach elf Runden, in Las Vegas.
Traurig. Eine lebende Legende, die sich öffentlich zusammenschlagen ließ.
Papa hatte sich einen Komposthäcksler gekauft, der Wunderdinge leistete, und eine Saftmaschine zur Verarbeitung der Gartenäpfel.
Aus Sicherheitsgründen wollte Mama die FDP wählen. »Wenn die unter fünf Prozent bleibt, isses Essig mit der sozialliberalen Koalition, und dann haben wir Strauß als Kanzler!«
Ich gab meine Erststimme der SPD und meine Zweitstimme den Grünen, damit die SPD merkte, daß einige ihrer Wähler sich eine rot-grüne Koalition erhofften.
Was Papa wählte, behielt er für sich.
Nach den ersten Umfragen waren leichte Stimmengewinne für die SPD zu verzeichnen, starke für die FDP und Verluste für die Union. Wer – außer den Bazis – wollte schon von einem bayrischen Schreihals regiert werden, der in zahllose politische Affären verwickelt war und sich bevorzugt Seit’ an Seit’ mit Militärdiktatoren in die Brust warf?
Die Grünen krebsten irgendwo bei einem Prozent herum.
Vom Fernseher wurde ich vertrieben, als die Döbels kamen, Mamas Besucher aus Venezuela. Die Frau war eine Jugendfreundin von ihr und irgendwann ausgewandert. Weil die Döbels auch mit den Lohmanns per Du waren, Mamas und Papas Bekannten aus Meppen, hatte Mama auch die noch eingeladen, und ich verkrümelte mich in mein Zimmer und machte das Radio an.
Es änderte sich aber nicht mehr groß was an den Zahlen. Die Wähler hatten Strauß und der Union eine Abfuhr erteilt. Ob Helmut Kohl sich darüber nun freute oder ärgerte, das hätte ich gern
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