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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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hatte nach dem gräsigen Schweineschlachten den Kessel mit dem Wasser zum Löschen wiederzuholen vergessen, und als wir stattdessen das Spülwasser aus der Küche nehmen wollten, da hat Muttis Hausmädchen die Arme drübergebreitet und gerufen: ›Da geht ihr mir nicht dran!‹«
    Opa Thoben habe den brennenden Baum dann aus dem Fenster geschmissen, trotz Verdunkelungsgebot.
    Nach dem dritten Glas Rotwein fing auch Papa zu erzählen an, von dem ersten Auto seines Vaters. Ein Opel Olympia. »1934 war das. Den hat mein Vater damals für die Dienstfahrten in seinem Pfarrbezirk gekauft …« Gewartet worden sei der Wagen vom Küster, und der habe eines Tages auch Papas Mutter, also Oma Schlosser, das Autofahren beibringen wollen. »Und als sie dann völlig eingeschüchtert vorm Lenkrad saß, hat er gerufen: ›Jeben Sie Jas, Frau Pfarrer, jeben Sie Jas!‹«
    Ostpreußische Ortsnamen: Stallupönen, Budupönen, Kermuschienen und Pillkallen. 1938 hätten die Nazis alle diese Namen eindeutschen wollen. »Da sollte Pillkallen auf einmal Schloßberg heißen und Stallupönen Ebenrode. Und die Scheschuppe nicht mehr Scheschuppe, sondern Ostfluß …« Das hätten sich wirklich nur irgendwelche Amtsärsche ausdenken können. »So welche wie die, die sich das Wort Samtgemeinde aus den Fingern gesaugt haben.«
    »Und habt ihr dann auch alle Ostfluß gesagt?« fragte Wiebke.
    »Natürlich nicht!« rief Papa. »Keine Sau hat sich daran gehalten.«
    Zum Weihnachtsgottesdienst sei die ganze Familie ins Gemeindehaus gepilgert, an dessen Eingang sich ein kniender Holzneger befunden habe, im weißen Burnus und mit zum Gebet erhobenen Händen. »Der hatte irgendwo ’n Schlitz, und wenn man da ’ne Münze reingesteckt hat, für die Äußere Mission, dann hat der Neger dankbar genickt.«
    Einmal hätten Tante Doro und Onkel Rudi auf der Kirchenempore Murmeln gespielt, und Papas Vater habe mitten in seiner Predigt hochgebrüllt: »Rudi, Doro – raus!«
    Papa fuhr am zweiten Weihnachtsfeiertag nach Bielefeld und Mama nach Jever, und ich hätte Heike einladen können, aber die war mit ihren Eltern zu irgend ’ner Tante gereist.
    In Papas Arbeitszimmer standen alte Bücher von Opa Schlosser im Regal. »Synopse der ersten drei Evangelien«. Auf griechisch. Neunte Auflage 1936. Das mußte eins der Bücher sein, die Opa Schlosser vor der Flucht aus Ostpreußen an Verwandte im Westen geschickt hatte. Den größten Teil der Bibliothek hatten sich die Russen geholt.
    Weiter unten ein Leitz-Ordner mit der Verkehrswertschätzung unseres mittlerweile verkauften Hauses:

Gemarkung Mallendar, Flur 1, Parz. 129, Grundbuch von Vallendar, Bd. 23, Bl 586. Eigentümer: Diplom-Ingenieur Richard Schlosser. Aufgrund der nachstehenden Erläuterungen und Berechnungen schätze ich den Verkehrswert des o. a. Grundstückes am 24. Februar 1979 auf 405 000,-- DM (i.W. vierhundertfünftausend Deutsche Mark) …
    Vermietbarkeit und Verkäuflichkeit liegen im Rahmen der allgemeinen Markttendenz im überblickbaren Zeitraum im günstigen Bereich, wobei jedoch nicht verkannt werden darf, daß unabhängig von der guten Lage des Hauses die relativ große Bausubstanz den Markt einengt.
    Gestelzter ging’s ja wohl nicht mehr.
    Restnutzungsdauer: 73 Jahre.
    Wie? Was sollte das heißen? Daß unser Haus im Jahre … Moment … 1979 plus 70 … gleich 2049 … plus 3 … daß also unser Haus im Jahre 2052 in sich zusammenbrechen werde? Da hatte der Verkehrswertschätzer aber ein verzerrtes Bild von Papas für die Ewigkeit geschaffenen Konstruktionen.
    Schauderhaft die Substantive in den abgehefteten amtlichen Schreiben: »Rückauflassungsvormerkung«, »Prämienhauptfälligkeitstermin« oder »Pauschvergütung«. Wenn einem ein Haus gehörte, hatte man noch lange nicht ausgesorgt. Was da so alles anfiel: Grundsteuer, Feuerversicherung, Wasserversorgung, Müllabfuhr, Heizungswartung, Schornsteinreinigung, Kanalgebühren …
    In einer der Schubladen fand ich ein angegilbtes Blatt mit einem maschinegeschriebenen Gedicht von Mama. Über London:
    Weltstadt
    aus lauter
    Kleinstädten,
    unnachahmlich
    die Nachsicht,
    mit der Gegensätze
    sich begegnen.
    Banken
    wie Festungen,
    aber nicht mehr
    uneinnehmbar,
    um die Ecke
    ein Obstkarren.
    Hinter Kirchen,
    Kathedralen,
    ein kleiner Markt,
    eine Welt für sich.
    Welch ein Forum
    für Nostalgie
    und welch ein
    publikumswirksames
    Theater!
    Ob sie das irgendwo eingesandt hatte?
    Beim Rausgehen blieb mein Blick an der Zeitungsablage unter

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