Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
angebrannten Toast raspeln, während Papa sich auf dem Klo die Seele aus dem Leib hustete.
»Du hast das Hemd schief zugeknöpft!«
An Werktagen gab es keine Eier und statt Toast nur Graubrot. Die dritte Tasse Kaffee stürzte Papa im Stehen runter, und Mama kriegte einen Rappel, weil ich schon wieder vergessen hatte, mir die Haare am Hinterkopf zu kämmen. »Wiedersehen macht Freude«, sagte sie, wenn ich mein Radiergummi nicht finden konnte und eins von ihr nehmen mußte. »Jetzt aber ab die Post!«
Lauterberg, der Schulbusfahrer, war zottelig und dick und immer wütend, ohne daß man wußte warum. In den Kurven mußte man sich gut festhalten, um nicht vom Sitz zu fliegen, und wenn welche von uns zu laut waren oder Heidschi bumbeidschi sangen, rief er: »Schnüss dahinne!« Oder er hielt an und schmiß die Schreihälse raus, aber achtkantig.
Michael Gerlach sagte, der Lauterberg sei ein Urururenkel von Rübezahl, dem Riesen, von dem uns Frau Katzer was vorgelesen hatte. Der Riese Rübezahl konnte sein eigenes Bein als Axt nehmen und damit Holz hacken.
Als ich in der kleinen Pause vom Klo kam, hielten mich zwei Jungen fest, die bestimmt schon in die fünfte oder sechste Klasse gingen. Der eine war Qualle und der andere ein Rothaariger, den ich nicht kannte. »Was hasten da gemacht?« fragte der Rothaarige und verpaßte mir eine Ohrfeige. »Was hasten da gemacht aum Klo?«
Obwohl ich heulen mußte, sah ich, daß Frau Katzer, die die Pausenaufsicht hatte, auf uns zukam und daß das auch Qualle aufgefallen war.
Der Rothaarige drehte mir die Nase rum und wollte immer noch wissen, was ich auf dem Klo gemacht hatte.
»Wat soller schon gedonn han«, sagte Qualle. »Gepißt und geschisse!« Dann ging er weg.
Als Frau Katzer da war, zog sie den Rothaarigen am Ohr zu sich rum und schrie ihn an, wenn er hier noch einmal irgend-wem ein Härchen krümme, sei er fällig, dann fliege er von der Schule.
Ich war gerettet, aber jetzt hatte ich einen Todfeind.
Die Schulbushaltestelle in Vallendar war vor einem Haus, wo wir uns nicht an die Wand lehnen durften. Wenn es doch einer tat, riß eine alte Giftnudel, die da wohnte, das Fenster auf und schrie runter, daß sie die Polizei rufen werde.
Im Bus hatte ich Pech, denn da stieg auch der Rothaarige ein. Als er mich hinten sitzen sah, drängelte er sich bis zu mir durch und haute mir eine rein.
»Seh ich recht? Heb mal den linken Arm hoch«, sagte Mama, und dann sollte ich erklären, woher das Riesenloch unterm Ärmel stammte, aber das war mir selbst ganz neu.
Es gab Linseneintopf mit Bauchspeck, wonach ich mir nicht gerade die Finger leckte. »Bist du im Zirkus großgeworden? Mach die Tür zu!«
Nur für mich, ohne das jemandem zu sagen, gab ich dem Essen Noten: Hähnchen 1, Fischstäbchen, Spaghetti mit Spiegelei und Milchreis mit Zimt und Zucker 2 plus, Kotelett 2, Kartoffelbrei mit Spinat 2 minus, Königsberger Klopse 3, Bohnen, Wurzeln und Erbsen 3 minus, Porree 4 plus, Eintopf und Blumenkohl 4, Wirsing, Rosenkohl und Graupensuppe 4 minus, Kohlrabi 5 und Rotkohl 6. Rotkohl war das reinste Brechmittel.
Renate ekelte sich dafür vor Leber, und sie wollte nichts aus dem Kochtopf essen, in dem Papa einmal alte Seifenstücke eingeschmolzen hatte, aber Papa sagte, im nächsten Krieg würden wir noch Baumrinde nagen. Das werde uns dann wie ein Lekkerbissen vorkommen.
Papa selbst fand meistens das Gulasch zu zadderig und meine Haare zu unordentlich: »Du siehst mal wieder aus wie ’n explodierter Bußkohl!«
Sich fläzen und die Arme aufstützen durfte man nicht.
Vom Spiegelei sparte ich mir das Dotter immer bis zuletzt auf.
»Man spricht nicht mit vollem Mund!«
Meine Nachtischnoten waren: Quarkspeise und Götterspeise 1, Vanillepudding 2 (mit Blasen 2 minus), Ananas 3, Mirabellen 4 und Dosenpfirsiche 5 minus.
Tisch abräumen. »Düt düt düt!« In der Tür zur Küche.
Volker durfte den Kaffee holen. »Aber bitte ohne Fußbad!«
Meine Aufgabe war, die Servietten ins Regal zurückzulegen. An den Farben der bastbeflochtenen Serviettenringe konnte man sehen, wem welche Serviette gehörte. Mama lila, Renate gelb, Volker grün, ich blau. Papas Serviettenring war aus Metall und golden. Wiebke hatte noch ihr Lätzchen.
Wenn die Spülmaschine lief, setzte Mama sich ins Wohnzimmersofa und blätterte im Stern, bevor die Hausarbeit wieder losging. Fenster putzen, Wäsche sprengen oder den Stopfpilz rauskriegen und Socken stopfen.
Wiebke malte was mit schwarzem Filzer.
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