Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
meinen Träumen. Prasselte auf den Hof wie nicht gescheit und machte schwer was von sich her.
Und Heike war noch nicht zurück.
Ich nestelte nach ihrem Wecker. Fast halb zwei.
Das gab’s doch nicht. Die konnte doch wohl nicht zu dieser Nachtzeit noch am Feiern sein. Bei so ’nem Schweinewetter!
Ob ihr was passiert war? Beschwipst von der Nordsee verschlungen?
Ich lief los und sah beim Laufen durch den Regenschauer Heikes Wasserleiche vor mir, graugesichtig, mit Algen im Haar und mit bläulich verfärbter Zunge …
Die Wahrheit war, daß Heike selig quiekend in einem Strandkorb saß, direkt neben dem Arsch von Koch, mit nichts am Leib als einem viel zu kleinen Badelaken.
»Hey, Martin!« rief sie, als sie mich erkannte. »Wir sind schwimmen gewesen! War echt geil! Aber ich schwör’s dir, die is’ kalt, die Nordsee! Huiuiui! Mein lieber Scholli! Sag mal, hast du irgendwas?«
Ob ich was hatte? Tja – vielleicht eine Stinkwut im Bauch? Oder hätte ich nichts haben sollen, wenn meine fast schon totgeglaubte Freundin nackig baden ging? Mit einem fremden Kerl? Des süßen Weines voll? In tiefster Nacht? Bei peitschendem Regen?
Wenn mich nicht alles täuschte, hatte dieser Casanova da im Schutz der Dunkelheit sogar die eine seiner Pratzen frech auf Heikes Oberschenkel abgelegt.
Weil es so stürmte, mußte ich schreien: »Ich hab mir Sorgen um dich gemacht! Verdammte Tat! Ich hab dich überall gesucht und bald gedacht, du wärst ertrunken oder was! Und du, du machst hier einen auf Kindergeburtstag!«
Das sollte sie mir büßen. Das war nicht abgetan mit ’ner simplen Entschuldigungsfloskel.
Meine Freundin! Wie so’n Backfisch! Tollte da im Wasser rum mit diesem Angeber! Und hatte sich von dem vielleicht noch trockenrubbeln lassen, was?
Auch am nächsten Tag war meine Wut noch nicht erkaltet. Ich brauchte nur daran zu denken, wie Heike mit diesem impertinenten Schnösel gebadet hatte, ohne was an, und mir wurde heiß und heißer, wie von einer Feuersäule in der Luftröhre.
Und dann noch die Scheißspülerei für das verfressene Geschmeiß der Urlauber!
Heike hatte währenddessen unsere Bude aufgeräumt und den Tisch gedeckt, um mich zu besänftigen: Weinpokale, Aschenbecher, Gänseblümchen, Kerze und ’ne Tafel Alpia. Trauben-Nuß.
Der Wein sei für uns beide, sagte Heike, »und die Schoki is’ allein für dich, mein Spatzl …«
Wie hätte ich ihr da noch gram sein können?
In dem kleinen, von den Hotelgästen nur selten frequentierten Fernsehzimmer sahen wir uns die Wiederholung von Hitchcocks Meisterwerk »Der unsichtbare Dritte« an. Wie Cary Grant nach einer Verkettung haarsträubender Zufälle und geheimdienstlicher Ränkespiele an einer gottverlassenen Bushaltestelle steht und noch nicht ahnt, daß gleich ein Flugzeug Jagd auf ihn machen wird, oder wie er sich bei der Auktion als gemeingefährlicher Schwachkopf aufführt, um seiner Ermordung zu entgehen, oder wie er dann im Mount Rushmore an der einen Hand Eva-Marie Saint hängen hat und sich mit der anderen an die Klippe klammert und ihm der Sowjetspion auf die Fingerknöchel tritt …
Anke, eine der etwas plietscheren Angestellten, warnte uns: »Wenn euch die Chefin hier erwischt, dann seid ihr dran! Die macht euch alle!« Laut Hausordnung durften nur die Hotelgäste das Fernsehzimmer nutzen.
Und warum? Waren wir denn Menschen zweiter Klasse? Weil wir den Dreck wegmachten?
Ich hatte es kommen sehen: Der Abweichler Karl-Heinz Hansen war aus der SPD ausgeschlossen worden. Dagegen hatte er Widerspruch eingelegt. An Hansens Stelle hätte ich das nicht getan. Sollten die Sozis doch glücklich werden mit ihrem Atomkriegskanzler.
Der neue Koch gewöhnte sich bereits in seiner ersten Arbeitswoche Star-Allüren an. Brachte mir Kellen und Schaumbesen zurück, die ich seiner Meinung nach nicht penibel genug gesäubert hatte, und ermahnte mich, beim Abtrocknen nicht mehr so rücksichtslos mit dem Besteck zu klötern, weil er sich dabei nicht konzentrieren könne.
Naja. Wenn einer schon Heinz-Dieter hieß?
Was er besser vertrug, war seine Scheißradiomusik inklusive Werbung für Kaffee Hag und Duplo und Persil, von der ich Ohrenkrebs kriegte.
Fleißigsein lohnte sich nicht. Wenn ich mich beim Spülen ranhielt, um mir außer der Reihe eine Rauchpause erlauben zu können, kam unweigerlich die Chefin angepeest und erteilte mir Sonderaufträge. Die Servierbleche auf dem einen Regal in der Küche, die seien so liederlich gestapelt. »Räum da doch
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