Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
da kein Abitur draus machen! Und auch keine Doktorarbeit!«
Spei, keif, zeter! War das vielleicht meine Idee gewesen, einer im Ausnehmen von Fischen so unbeleckten Person wie mir das Ausnehmen von Fischen zu befehlen? Und was sollte dieser Quatsch von wegen Abitur und Doktorarbeit? Sah ich aus wie Jürgen Habermas? Oder hatte die Chefin Komplexe, weil sie im Abi durchgefallen war?
Nachmittags beeilte ich mich mit dem Wienern der Küche, um vor dem routinemäßigen Auffüllen der Frühstücksmarmeladentöpfchen noch eine schmöken zu können. Aber kaum hatte ich mir eine Zigarette angesteckt, kam die Chefin wieder angewatzt: »An die Arbeit, aber so-fort!! «
Daß ich am Abend vorher bis in die Puppen Überstunden gemacht hatte, interessierte sie nicht. Meine Langweiligkeit hänge ihr zum Hals raus, fauchte sie. »Rumsitzen, das kannste, aber bei anderen Leuten, da haste ’ne große Klappe!«
Was? Wie? Große Klappe? Ich?
Egal. In Gottes Namen. Ich machte die Zigarette aus, setzte mich an den Spülküchentisch und fing an, die Marmelade zu verteilen, und als die Chefin das nächste Mal reinkam, stänkerte sie wieder drauflos: »Ach, sitzen muß der große Herr! Dann paß mal auf, daß dir kein Moos am Hintern wächst!«
Und weshalb hätte ich das im Stehen erledigen sollen? Mit krummem Rücken? Sitzend ließ sich das viel rascher machen, doch das war der Chefin schnuppe. Die wollte eben um jeden Preis was zu meckern haben, und sie schob immer noch was nach, wobei sie mich wieder in der dritten Person Singular unter Beschuß nahm: »Läßt sich hier häuslich nieder, dieser Mensch!« – »Macht sich ’n faulen Lenz!« – »Muß bei der Arbeit auf seinen vier Buchstaben sitzen!« – »Und wenn ihm Moos am Hintern wächst, dann hat er ja ’n weiches Ruhepolster!«
Vor den Gästen tat die Chefin etepetete, aber hinten in der Küche wütete sie wie ’ne Boa constrictor. Als ich die ausgespülten Kaffeekannen in die Küche trug, ging’s weiter: »Ich würd sie ja noch doller aneinanderschlagen!«
Für den nächsten Tag kommandierte sie mich zum Unkrautzuppeln ab, hinterm Haus, wo niemals eine Sau vorbeikam, und ich sollte das zur gleichen Zeit tun, in der ich (frühere Order) Kartoffeln zu schälen bzw. (noch frühere Order) die Straße zu fegen hatte.
Ich beriet mich mit Heike. Zurückpflaumen? Streiken? Oder das Gespräch mit der Chefin suchen? Schlichtungsverhandlungen? Deeskalation?
Das hätte alles nichts gebracht. Hier gab’s nur eins: Verschwindibus. Die Brocken hinschmeißen. Fristlose Kündigung. Einpacken, der Chefin am Morgen noch einen gesegneten Tag wünschen und dann: ciao, ciao, bambino. Sollte die doch ihr eigenes Spiegelbild anblaffen.
Mit der Chefin hatte Heike zwar nicht die gleichen Querelen, aber ohne mich wollte sie auch nicht auf der Teufelsinsel bleiben.
Wir weihten Anke ein, und die meinte, wir hätten’s gut, so einfach abhauen zu können. Das würde sie auch gern tun, aber wohin? Sie habe ja kein Zuhause. Schule abgebrochen, Lehre abgebrochen, Vater tot und Mutter in der Klapse.
Anke war ein Scheidungskind aus Rheda-Wiedenbrück.
Nach dem Aufstehen gingen wir statt zur Arbeit schnurstracks zum Chefbüro. Die Fähre und die Züge hatten wir schon rausgesucht, und wir frohlockten bei der Aussicht auf Creutzenbergs Verdatterung über unseren Ausbruch aus seiner Inselfestung.
Da waren wir aber an den Falschen geraten. Er sei bereits im Bilde über unseren Vorsatz, dieses wundervolle Eiland zu verlassen, sagte er. »Und eigentlich soll man Reisende ja nicht aufhalten! Doch so leid es mir auch tun mag: Sie können sich hier nicht einfach sang- und klanglos verabschieden. Ich muß darauf bestehen, daß Sie Ihren einmal eingegangenen Verpflichtungen nachkommen …« Wie der Lateiner zu sagen pflege: Pacta sunt servanda. Wir hätten geschrieben, daß wir bis zum 23. 8. bleiben wollten, und wenn wir jetzt abreisten, würden wir den ganzen Betrieb durcheinanderbringen. Er, Creutzenberg, müsse dann andere Leute einstellen. Unseren noch nicht ausgefolgerten Lohn werde er einbehalten und davon das neue Personal bezahlen, und wenn die Kosten unseren Verdienst übersteigen sollten, werde er uns regreßpflichtig machen. Und da werde ihm jeder Richter in Deutschland recht geben.
Alles, was er uns anbieten könne, sei die Zuteilung anderer Posten, falls der Betriebsfrieden im Hotel am Damenpfad nicht mehr gewährleistet sei.
Ich widersprach: Wir hätten ja nicht mal einen Arbeitsvertrag
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