Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Kürzere Pausen wären mir lieber gewesen, wenn ich dafür eher hätte gehen können. Was sollte man mit diesen halben Stunden denn anfangen? Rauchen, gut. Und eben mal verschwinden gehen. Und denne? Einmal um den Pudding laufen?
Hinlegen lohnte sich nicht. Wenn man es trotzdem tat, war man danach nur noch ’ne Nummer schlapper. Und auch die drei Stunden Mittagspause waren nicht richtig schön. Man dachte an nichts anderen, als daß man noch drei Stunden zu schuften hatte, mit ’ner weiteren halben Stunde Pause zwischendrin. So wurde der Großteil der Freizeit in völlig unbrauchbare Segmente zerhackt.
Um 17 Uhr mußte ich wieder ran. Zunächst die Küche saubermachen, in der es aussah wie nach bürgerkriegsähnlichen Handlungen: Fußboden überschwemmt, Kochkessel angesengt, Suppenkellen verharzt, Armaturen bespackert, Mehl verschüttet, Bratkartoffeln festgetreten …
Nachdem ich damit zu Rande gekommen war, mußte ich die Töpfchen mit der Frühstücksmarmelade auffüllen und den grauenhaft stinkenden Abfalleimer in den Hof zum Müllcontainer schaffen und ausleeren, und dann schwebten auch schon die Tabletts mit dem Geschirr vom Abendessen ein.
Letzter Akt: Fegen und Wischen. Dabei half mir Heike. Die hatte bereits frei, und im Paarlauf ging alles viel flotter, aber als die Chefin uns da zu zweien beim Wischen antraf, zickte sie rum: Das widerstreite der Arbeitseinteilung; mit meinem »Dienst« müsse ich alleine fertigwerden, andere Personen hätten in der Spülküche nichts verloren und häbäbä bäbäh.
Anstatt froh zu sein über Heikes und meine Kooperation.
Nicht gut zu sprechen auf die Chefin des Hotels am Damenpfad war auch die Kellnerin eines anderen Schuppens aus Creutzenbergs Kartell, in deren Zimmer wir am Feierabend eine Flasche Rotwein niedermachten. »Von dieser Frau hält man sich besser fern …«
Drei blutjunge Zimmermädchen begutachteten in einem Spiegel ihre Wimpern und den Sitz der Träger ihrer Ausgehkleidchen. Als hätte das Regelwerk dafür in der Bravo gestanden: Wie werde ich eine Disco-Torte?
Eins der Mädchen, Annemie mit Namen, hatte einen Elvis-Tick. Elvis hier und Elvis da. Hinten auf der Jeansjacke, in großen Lettern:
ELVIS
Und auf den Fingernägeln:
ELVIS LIVES
Zehn Buchstaben; auf jedem Nagel einer. Diese Annemie glaubte felsenfest daran, daß Elvis noch unter den Lebenden weile und daß er nach ihr suche. Eines Tages werde er sie als seine Seelenverwandte erkennen, und bis dahin hebe sie sich für ihn auf.
Ob aber Elvis, wenn er noch gelebt hätte, gerade auf ein armes deutsches Pummelchen mit Elvis-Tick und Akne abgefahren wäre?
Heike schob mich auf dem Rückweg in einen dunklen Hauseingang und küßte mich und rückte mir dicht auf den Leib. »Ich bin scharf wie Paprika«, sagte sie. »Aber laß uns man weitergehen, sonst werden wir noch festgenommen, wegen Erregung öffentlichen Bedürfnisses …«
Schon schön, jetzt auch mal zusammenzuwohnen wie Mann und Frau, und keiner da, der uns dazwischenfunkte.
Vor dem Einschlafen las Heike feministische Traktate. Mein eigener Lesestoff war »Gargantua und Pantagruel« von François Rabelais. Das hatte ich für eine gute Wahl gehalten, doch ich hatte mich geirrt. Der gargantueske Humor erschöpfte sich in der Aufzählung von Rekorden der Völlerei.
Unsere Väter verstanden das Zechen besser; sie tranken aus Kannen! – Gut gefurzt, ist halbe gesungen. Laßt uns trinken!
So ging das seitenlang. Um Gargantuas Milchdurst zu stillen, hätten Abertausende von Kühen herangeschafft werden müssen, und das sollte man dann rasend komisch finden.
Ich hätte schon wieder so mit den Zähnen geknirscht, sagte Heike morgens beim Anziehen. Das sei nicht mehr normal. »Damit kannst du Tote aufwecken!«
Annemie taumelte wie ein blinder Hamster durchs Hotel und brachte zur Erklärung vor, daß sie noch bis halb vier auf der Piste gewesen sei.
Selbsthelbstlefelbst schuldhuldlefuld.
Weil er fand, daß meine Brille so aussehe wie die von John Lennon, nannte Charly mich nur noch John. »Hey, John«, rief er mir zu und hub zu singen an:
Woman, I can hardly express
My mixed emotions at my thoughtlessness …
Am Singen war er auch beim Eindecken der Tische.
Noch ’n Toast, noch ’n Ei,
noch ’n Kaffee, noch ’n Brei,
etwas Marmelade, etwas Konfitüre …
Charly nahm das Leben leicht. Der Koch hingegen war ein Sturkopp. Marschierte grußlos in die Küche, rührte griesgrämig in seinen Töpfen und stieß Flüche aus.
Bei
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