Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
beim Schreiben noch nicht wieder nüchtern gewesen war .
Volker hatte Zett-zwo hinter sich gebracht: zwei Jahre Zeitsoldat. Am Tag der Entlassung war er morgens noch Unteroffizier gewesen und mittags zum Fahnenjunker und anschließend zum Fähnrich befördert worden. Danach hatte er sich mit seiner Vera nach Jugoslawien verzogen, und ab Oktober wollte er in Papas Fußstapfen treten und in Hannover Maschinenbau studieren.
Wie konnte man nur?
Zur Vorführung der Urlaubsdias hatten Mama und Papa die Lohmanns eingeladen. Schnittchen, Bierchen, Weinchen und im Zentrum der guten Stube der aufgebockte Projektor, eine Neuanschaffung, ebenso wie die Leinwand samt verstellbarem Gestänge.
Papa schraubte und drehte an allem, was es an dem Projektor zu schrauben und zu drehen gab, und in den Schraub- und Drehpausen prüfte er die Reihenfolge der Plastikschienen mit den Dias und die Beschriftung der Kästen, in die jeweils zwei der Schienen hineingehörten. Beim Beschriften mußte er was falsch gemacht haben. Es dauerte allein schon Äonen, bis er die eine Schiene mit den Dias vom Bonner Hauptbahnhof wiedergefunden hatte.
Mama wurde ungeduldig. »Geht’s denn bald mal los?«
»Ja, ja, nun hetz mich nicht …«
»Ich hetz dich nicht!«
»Wir haben vollstes Vertrauen zu unserem Maître de plaisir«, sagte der Lohmann.
Beim weiteren Umschichten der Schienen kippte eine um, und beim Versuch, die Katastrophe abzuwenden, brachte Papa noch drei andere zu Fall, so daß die vom Tisch und vom Fußboden aufgelesenen Dias nachher zum Teil über Kopf oder seitenverkehrt zu sehen waren und natürlich kraut-und-rüben-artig gemixt: Eukalyptuswälder, Schlangenbeschwörer, Elefanten, blubbernde Schlammlöcher, Boutiquen, Känguruhs, Pagoden, Krokodile, Papageien, Riesenschildkröten, Wellblechhütten, Orchideengärten, Sonnenaufgänge, Sonnenuntergänge, Pelikane, Pfahlbauten mit Fernsehantennen, Bäume mit »Luftwurzeln« und mittendrin Klein-Lisa auf dem Arm der stolzen Mutter.
Das große Barriere-Riff, bekannt aus der Fernsehserie Barrier Reef , hatten Mama und Papa per Glasbodenboot abgehakt.
Ein Autowrack im Wald: Das sei in Australien kein ungewöhnlicher Anblick, sagte Papa. Und überall in Südostasien habe es in den Hotelzimmern lebensgefährliche Elektrokocher gegeben.
Auf einem Dia sah man Papa auf Muschelsuche. Von den Eingeborenen auf Fidschi, behauptete er, hätten manche so ausgesehen, als ob ihnen angesichts der fettleibigen weißen Touristen das Wasser im Munde zusammengelaufen sei.
»Ach, das ist doch Schnickschnack«, sagte Mama, aber Papa insistierte: Er habe genau gesehen, daß sich von den Insulanern welche die Lippen geleckt hätten am Strand …
Frau Lohmann lachte darüber, milde spöttisch, so wie man über naseweise Kinder lacht, und Wiebke wollte wissen, ob noch mehr Dias von Lisa kämen.
Als sich die Lohmanns in die Büsche geschlagen hatten, wurde die Verwandtschaft durchgehechelt. Olaf sitze jetzt an seiner Magisterarbeit – »Die Verfassungsvorstellungen der politischen Parteien 1945 bis 1949« –, und Gustav habe zwei Examensklausuren hinter sich. Oh, und dieser Dellbrügge mal wieder: Der posaune seit allerneuestem herum, er habe Gustavs Studium finanziert! Es sei nicht zu fassen, sagte Mama, was dieser Hochstapler sich alles leiste. »Nächstens wird er noch erzählen, daß er Gustav großgezogen hat!«
»Ja, und daß er uns alle aus der Sklaverei freigekauft hat«, sagte ich, um Mamas Gedanken weiterzuspinnen, doch darauf ging leider niemand ein.
Die Nachricht, daß ich den Job auf Norderney am liebsten hingeschmissen hätte, war im Verwandtenkreis anscheinend genüßlich durchgekaut worden. Jetzt hatte ich das Image eines von wenigen Wochen ehrlicher Arbeit nervlich zerrütteten Sensibelchens. Es waren da so’n paar Bemerkungen gefallen, und die kriegte ich aufs Brot gestrichen.
Es tat aber gut, wieder allein und im eigenen Bett zu schlafen. Nur daß dann draußen auch die Randale am Zigarettenautomaten wieder losging, das hätte nicht sein müssen.
Im Garten gab’s eine Neuerung: überdachte Tomatenstauden. Sonst war alles beim alten, trotz stattgehabter Weltreise. Der alte Ehetrott. Eduscho & Melitta. Blumenkohl & Kartoffeln. ARD & ZDF .
Wilkinson, Togal und Ajax.
Telefonisch bot ich Thomas Korn für die Schülerzeitung eine Reportage mit dem Arbeitstitel »Norderney von unten« an.
Die Idee fand er klasse, und er meinte, ich könne dann ja auch noch aus anderen
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