Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
so läuft in Deinem Betrieb?
Nanü? Seit wann interessierte Mama sich denn für die Abläufe in der Nordseeinselgastronomie?
Annemie hatte ihre sechsjährige Nichte zu Gast, und weil die sich langweilte, nahm ich sie in den Zeichentrickfilm »Der König und der Vogel« mit. Der tyrannische König von Takicardie im Kampf gegen die Liebe zwischen einer Schäferin und einem Schornsteinfeger, die Gemälden im königlichen Schloß entstiegen sind und von einem Vogel Schützenhilfe erhalten, bis alles in Scherben fällt und die Verliese sich auftun …
Stefanie, die Nichte, war vorher noch nie im Kino gewesen und machte dementsprechend große Augen. Ich sagte nicht viel, weil ich das Besondere daran nicht zerreden wollte, und später hörte ich, Stefanie habe zu Annemie gesagt, daß ich ja wohl ein ziemlich schweigsamer Mensch sei.
Als ich wieder mal Essen aus dem Schweinischen Hof holen mußte, sah ich, wie sich draußen zwischen den Mülltonnen eine helle Plane bauschte, obwohl gar kein Wind wehte, und als ich aus Neugier hinging, stellte sich raus, daß das keine Plane war, sondern eine Riesenwimmelmasse kribbelkrabbelnder Maden, und mir drehte sich unwillkürlich der Magen um.
Ein Reflex. Nicht steuerbar. Ich hatte nichts gegen Maden, solange sie mir nicht auf die Pelle rückten, aber vom Hinkucken wurde mir kotzübel.
Vielleicht war das ja von Natur aus so abgestimmt, damit man als Mensch nicht womöglich noch Appetit auf das krankheitsverkeimte Gewürm bekam.
Zu sehen kriegte ich auch mal eine Kartoffelschälmaschine. Darin wurden die armen Kartoffeln so lange zwischen Wetzmesserklingen herumgerüttelt, bis die ganzen Schalen abgeschliffen und von den Kartoffeln bloß noch Kugeln in Kastanien- oder Haselnußgröße übrig waren.
Und was sagte man da, so als westliche Wegwerfgesellschaft?
Heike legte mir ein anderes ihrer Bücher ans Herz: »Häutungen« von Verena Stefan. Verlag Frauenoffensive. Das war in einem ganz ähnlichen Stil geschrieben wie das von Svende Merian, nur in gemäßigter Kleinschreibung.
ich machte regelmässig eine pillenpause, schluckte sie aber ansonsten unentwegt weiter bis zu dem abend, an dem Samuel zu besuch bekam. »heute kommt eine unheimlich dufte genossin«, sagte er. meine gebärmutter zog sich zusammen.
Von der Männerwelt war Verena Stefan nach einer Menge mieser Erfahrungen tief enttäuscht. Es dürfe jetzt ganz allgemein nicht mehr so viel gevögelt werden, meinte sie:
Ich habe erfahren, dass veränderungen erst beginnen, wenn sexualität lange zeit ausgeklammert wird, und wenn frauen andere frauen und männer andere männer lieben lernen.
Sexualität ausklammern? Um am Ende bisexuell zu werden?
Ein koitus ist in den gelernten und praktizierten formen ein zu ärmliches unterfangen, um glück zu produzieren, um über die andere person und sich selber etwas zu erfahren, um einander mitteilungen zu machen. eine verzweiflungstat.
Heike war schon eingeschlummert.
Schöne Aussicht: Wiederkommen nach Meppen, und wenn Hermann mich fragen sollte, was ich auf Norderney so gemacht hätte, antworten: »Och, weißt du, ich hab da meine Sexualität ausgeklammert …«
Die Amis waren bei einem Manöver im Mittelmeer von zwei libyschen Flugzeugen angegriffen worden und hatten sie abgeschossen. Wegen solcher Geschichten würde irgendwann noch der Dritte Weltkrieg ausbrechen.
Kurz vor ultimo erhielt ich wieder einen Sonderauftrag, der diesmal darin bestand, eine junge polnische Putze bei der Reinigung der größten Großküche von Norderney zu unterstützen. Menschlich näher kamen wir uns dabei aber nicht, denn erstens sprach die Polin nur gebrochen Deutsch, und zweitens forderte die Arbeit meine ungeteilte Dienstbeflissenheit. Etwas Verklebteres, Besudelteres und Fettigeres als diese Küche war mir noch nicht begegnet. Dreck und Speck und Makkaroni! Alles übersät mit angebackenen Spritzern und einem Schmierfilm aus den grindigsten Hinterlassenschaften des Mikrobentums. Der Herd hatte die Blattern, das Kochgeschirr Neurodermitis und der Fußboden Scharlach, Röteln, Masern, Furunkel und Schuppenflechte. Man hätte ein expressionistisches Gedicht darüber schreiben können:
Grausen
Ich
Schrubben Schaben Scheuern Bürsten
Prockeln Wischen Wringen Reiben
Schwämme Lappen Wasser Modder
Gubbel Gobbel
Grausen
Ich.
Als wir nach vier Stunden immer noch kein Land sahen, ließ ich drei der am fürchterlichsten verwarzten Töpfe in einer offenen Rumpelkammer hinter anderem Prüll
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