Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Krisenregionen berichten. »Sonderkorrespondent Martin Schlosser …«
In einem Schrieb von der Bundeswehr stand unter »Weitere Hinweise für den Einberufenen«, was man alles so in die Kaserne mitbringen sollte:
1 Dose schwarze Schuhcreme, Seife, Zahnbürste, Zahnpasta, Kamm usw., Naß-Rasierapparat, Rasierseife, Rasierpinsel, Staubtuch, Staubpinsel.
Ich hatte ja schon viel gesehen im Leben, aber noch keinen Staubpinsel.
Den Warschauer Pakt mit Staubpinseln totrüsten?
Heike war mit ihren Eltern an die Ostsee gefahren und hatte sich vorher gewünscht, daß wir beide am Sonntagabend um zwanzig Uhr mal ganz fest aneinander denken sollten. Das wäre dann wie so ein geistiges Band.
Ich hatte nichts mehr zu lesen und zog auf gut Glück was aus Mamas Bücherregal.
Ein Mensch erblickt das Licht der Welt –
doch oft hat sich herausgestellt
nach manchem trüb verbrachten Jahr,
daß dies der einzige Lichtblick war.
Von Eugen Roth, dem Heinrich Heine für Arme.
Dann besser Rilke, auch wenn der zum Dichten Glacéhandschuhe angezogen zu haben schien.
Und du wartest, erwartest das Eine,
das dein Leben unendlich vermehrt;
das Mächtige, Ungemeine,
das Erwachen der Steine,
Tiefen, dir zugekehrt.
Das mit den Steinen war ein bißchen dicke, aber die Richtung stimmte.
Es dämmern im Bücherständer
die Bände in Gold und Braun;
und du denkst an durchfahrene Länder,
an Bilder, an die Gewänder
wiederverlorener Fraun.
Michaela Vogt. In die war ich ja einmal sehr verliebt gewesen.
Und da weißt du auf einmal: das war es.
Du erhebst dich, und vor dir steht
Eines vergangenen Jahres
Angst und Gestalt und Gebet.
Was aus Michaela und mir wohl geworden wäre?
In Hannover, wo ich wegen des besseren Kinoprogramms hingetrampt war, setzte Tante Dagmar Reis für ’ne Paella auf und fragte mich nach dem Neigungswinkel des Meppener Ehesegens. Bei vielen Paaren träten die Differenzen ja oft erst im Urlaub zutage, weil vorher nicht genügend Zeit dafür sei.
Dazu konnte ich nicht viel sagen. Von Differenzen im Urlaub hatten Mama und Papa nichts publik gemacht.
Und ob ich die lütte Lisa nicht auch ganz entzückend fände?
Aber die hatte ich ja noch gar nicht gesehen.
Den Spielfilm »Stardust Memories« kuckte ich mir gleich zweimal an: Woody Allen als Komiker, der sich in seiner Rolle unterfordert fühlt und rund um die Uhr von übergeschnappten Fans umzingelt wird.
Ich lag schon im Halbschlaf, als mir Heikes Wunsch wieder einfiel.
Was tun? Einfach nicht zugeben, daß ich vergessen hatte, pünktlich um zwanzig Uhr an sie zu denken. Wie sollte sie mir das Gegenteil beweisen?
Von Hannover aus rief ich bei Magnus an, um mir in Hamburg ein Basislager zu verschaffen, und dann bei Julia. Die war auch sofort dran am Telefon und erinnerte sich sogar an mich, bedankte sich für meine Karten und entschuldigte sich vielmals für ihre Schreibfaulheit, aber ich wisse ja, wie das so sei mit der knüppelharten Punktejagd in der Schule …
Was ich herausholen konnte, war eine Verabredung zum Frühstück am Dienstagmorgen um neun. Bei ihr. Da habe sie erst zur vierten Stunde.
Besser als nichts, auch wenn ich eine Abendverabredung feudaler gefunden hätte. In der Not frißt der Teufel Fliegen.
Mit der Straßenbahn nach Langenhagen und von da per Autostop nach Norden.
Julia, seashell eyes, windy smile, calls me …
Wenn sich in dieser Beziehung was ergeben sollte, konnte ich mir immer noch den Kopf darüber zerbrechen, welche Folgen das für meine Allianz mit Heike hätte.
Nach Hamburg ging’s ruckzuck, und dann sah ich am Dammtorbahnhof einen martialischen Kriegerdenkmalsklotz mit einem Fries treudoof in den Tod marschierender Soldaten und der Aufschrift:
Deutschland muss leben
und wenn wir sterben müssen
Ich dachte, ich seh nicht richtig. Was war denn das für eine Nazi-Kacke? Schämten die sich nicht, die Hamburger? Oder hatten die kein Dynamit?
Mein Nachtlager konnte ich im nach wie vor freien Zimmer von Iltis aufschlagen, und dann saß ich mit Magnus in der wieder gründlich vollgemüllten Küche. Ich hatte ihm ’ne Flasche Rotwein mitgebracht. Rosenthaler Kadarka.
»Hartes Stöffchen«, sagte Magnus beim Eingießen.
Die Kellnerstelle war er los. Er jobbte jetzt in einer Druckerei und mußte morgens früh raus. Es blieb aber noch Zeit für ein Gespräch über den Menschen als Mängelwesen. Er zum Beispiel, sagte Magnus, vergesse oft seinen Wohnungsschlüssel. »Und damit ich trotzdem reinkann, hab ich innen an
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