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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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kein Kaiserhaus mehr, seit Wilhelm II . nach Holland ausgebüchst war.
    Es wurden alle drei Züge zusammengetrommelt und von einem Feldwebel namens Jacobi in Marsch gesetzt. Das Singen fing damit an, daß der Feldwebel brüllte: »Rührt euch! Ein Lied!« Dann wurde von vorn nach hinten der Titel durchgesagt. Hatte ihn auch der letzte Mann vernommen, schrie er: »Lied!« Nach weiteren drei Schritten mußten alle unisono schreien: »Durch!« Während der nächsten zwanzig Schritte wurde »eingesummt«, und dann schrie vorne einer: »Links! Zwo! Drei! Und alle!« Dann brüllten alle beim Aufsetzen des rechten Fußes: »Vier!« Beim Aufsetzen des linken Fußes begann dann der Gesang, so wie vom Feldwebel bestellt: »Nicht schön, sondern laut und kernig!«
    Schön war tatsächlich was anderes. Direkt hinter mir marschierte der fette Friedrich und blökte: »Wildgänse rauschen dorsch die Nacht …«
    Natürlich hatten fast alle den Text schon wieder vergessen, und es war unmöglich, im Gleichschritt zu bleiben, wenn man dabei außerdem noch summen, zählen, schreien und singen sollte. Von Schwenks nach links und nach rechts gar nicht zu reden.
    Es war ein Desaster. Der Feldwebel heulte auf, riß sich die Mütze runter, schmiß sie hin und trampelte darauf herum wie Catweazle. Man kriegte also durchaus was geboten von den Landsknechten, aber dafür war man ihnen auch ausgeliefert. Wir marschierten noch gut zweieinhalb Stunden lang kreuz und quer durch die Kaserne, mit dem Wildgänse-Oldie auf den Lippen und dem jeweiligen Hintermann auf den Hacken. Zwischendurch wurde ein Gefreiter, der auf einen Lehrgang ging, von der Kompanie mit dreifachem »Horrido-joho!« verabschiedet, »nach altem Jägerbrauch«.
    Abends schlossen Georg und ich uns einer Aktionsgruppe an, die in Budel in die Kneipe wollte und dann leider doch in einer trüben, viel zu laut beschallten Discothek vor Anker ging. Ich nahm wohlweislich nur ein Bierchen, während Georg sich mit Whisky-Cola die Kante gab. Das heißt, am Anfang drehte er noch richtig auf, aber dann versandete unser Gespräch, und auf der Rückfahrt im Taxi mußte er hinten aus dem schleunigst geöffneten Fenster reihern.
    Die Fahrerin wurde sauer, als sie das mitbekam. Sie hielt an, stieg aus und schimpfte irgendwas von wegen Lackschäden. Doch von Georgs Opfergabe schien an dem Wagen gar nichts klebengeblieben zu sein; die hatte sich breitflächig über die Beneluxstaaten verteilt.
    In der bewußten Disco hatte sich auch der Kamerad Meyering umgetan. Nun saß er mit glasigem Blick in der Stube und gedachte der Kellnerin mit den Worten: »Die Alte, doh, die hätt’ ich gern genagelt, ey …«
    Das Mühsamste am folgenden Tag der offenen Tür war das Rumhocken bei einer Feierstunde im Kasernentheater. Ein Heeresmusikkorps spielte Märsche, und eine fahnentragende Phalanx von Soldaten mußte neunzig Minuten lang auf der Bühne strammstehen, während irgendwelche hochrangigen Rädelsführer Reden über Militärchirurgie und Homer schwangen. Zwei der Soldaten kippten dabei um und wurden rausgetragen.
    Um vier Uhr war der Spuk endlich vorbei, doch dann dauerte es mit der Stubenkontrolle so lange, daß ich den Bus nach Mönchengladbach verpaßte, für teuer Geld mit ’ner Taxe nach Eindhoven düsen mußte und erst um Mitternacht in Bielefeld eintraf, und vom Bahnhof aus war’s da auch noch ein gutes Stück zu Fuß.
    Um nicht gänzlich ohne Angebinde dazustehen, hatte ich in der Kantine mehrere Portionen Schmierkäse für Heike eingesteckt.
    »Ich dachte schon, die hätten dir Stubenarrest gegeben«, sagte sie. Der Schmierkäse roch ihr zu streng; den legte sie in den Kühlschrank. Zu essen hatte sie für mich einen Teller Nudelsuppe und zu trinken knackig kaltes Bier. Das war mir recht.
    »Und wie findste meine Wohnung?«
    »Gut!«
    »Küchenschrank, Kühlschrank, Waschmaschine, Fernseher, alles gebraucht gekauft. Den Küchentisch und das Sofa hat meine Untermieterin mit in die Ehe gebracht. Steffi. Hab ich übers Schwarze Brett gefunden. Die studiert auch Pädagogik. Kommt aus Herford und macht jetzt ’ne Woche Urlaub irgendwo in Bayern. Der gehören auch die ganzen Pflanzen hier …«
    Zum Außenklo ging’s eine halbe Treppe runter. Heike hatte mich vorgewarnt: Die liebe Steffi habe dort ’ne Menge ausgeschnippelte Karikaturen und Gedichte für den Frieden an die Wände gepappt.
    Frieden
    ist feucht
    und warm,
    nicht spitz
    und eckig –
    eher
    rund
    wie ein
    küssender
    Mund.
    Im

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