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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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Sitzen hatte man das Zeug genau vor Augen.
    Die Matratze auf dem Palettenpodest bot Platz für zwei Personen. Wir lagen da und zogen erstmal eins von Heikes grasbelegten Lungenbrötchen durch.
    Irgendwie sei’s ja irre, sagte sie. »In Bonn haben heute dreihunderttausend Leute für die Abrüstung demonstriert, und du nimmst währenddessen an ’nem militärischen Festakt teil!«
    And though I wear a uniform I was not born to fight …
    Schon irre, richtig, aber mir war nicht nach Diskutieren.
    Den Sonntag verbrachten wir konsequent im Bett, wobei wir uns von Tee, Orangen, Eiern, Brot und Bier ernährten. Heike las das Buch »Uni-Angst und Uni-Bluff« und ich das von Alice Miller. Da lag es nahe, sich über tiefsitzende Ängste zu unterhalten. Ich sagte, daß sich nicht einmal die Experten darüber einig seien, ob sie das ganze Ausmaß der Einsamkeit und Verlassenheit von Kindern erfassen könnten. »Oder wie sich das im Erwachsenenalter intrapsychisch auswirkt.«
    Heike stutzte. »Intra was?«
    »Intrapsychisch.«
    »Woher haste denn dieses affige Wort?«
    »Wieso affig?«
    »Weil psychisch immer intra is’. Das Gegenteil wäre ja extrapsychisch. Und extrapsychisch wäre sowas wie … naja, wie außerhalb von innerhalb. Also kann man das intra auch weglassen, wenn man sich auf die Psyche bezieht.«
    Logisch.
    Heikes Fernseher war ein ganz kleiner schwarzweißer. Um die Sender zu verstellen, mußte man mit einer Kombizange an einem Metallstift drehen, von dem irgendwann die Verstellscheibe abgegangen war, und der Empfang ließ zu wünschen übrig, weil eine Antenne fehlte, doch es kam ja sowieso nur Müll.
    Am Montagmorgen schickte Heike mich in die feindliche Welt hinaus, Brötchen und Milch kaufen, und machte mir dann eine Szene, weil ich H-Milch angebracht hatte: »Echt, man könnte manchmal meinen, daß du keine Grütze hast! Welcher Blödmann holt sich denn H-Milch, wenn er auch normale Milch haben kann?«
    Die Tage, an denen man zurück in die Kaserne mußte, egal um wieviel Uhr, waren von vornherein vergeigt.
    In der Stube schlug der ölige Dehnert alle außer mir mit seinen neuesten Erzählungen in Bann. Er sei am Sonntag wieder bei dieser Torte gewesen, und sie hätten Pommes holen wollen, mit dem Auto. »Sie am Steuer, gäh, und wie wir fast wieder bei ihr zuhause sind, da fährt sie ran und stellt den Motor aus und sagt zu mir: ›Ey, sag mal, haste nich’ wat vergessen?‹ Und ich so: ›Wat denn?‹ Und sie so: ›Ey, komm her!‹ Und dann hab ich sie auf dem Rücksitz durchgefickt.« An dieser Stelle legte er eine Kunstpause ein, um einen Zug aus seiner Zigarette zu nehmen und sich in der allgemeinen Anteilnahme zu aalen, bevor er fortfuhr: »Und die Pommes, ey, die waren kalt geworden. Wenn ihr wißt, was ich meine …«
    Mir wurde eine »Kampfbrille« angepaßt, mit Gläsern in meiner Dioptrienstärke und mit Ohrbändern statt Bügeln. Damit war ich leider nicht mehr nur bedingt abwehrbereit, sondern voll manövertauglich.
    Beim Exerzieren unter der Fuchtel des reizbaren Feldwebels Jacobi lachte einer aus dem 3. Zug eine Idee zu laut und durfte deshalb eine »Ausarbeitung« über Sinn und Zweck der Formalausbildung verfassen. Das durfte auch der fette Friedrich, weil er schadenfroh darüber gewiehert hatte. Abends war er dann, mit angekautem Kuli, über dieser Strafarbeit am Brüten, und wenn man ihn ansprach, rief er: »Hall de Schnüss, sonns schlarisch disch de Fresse voll!«
    Am Mittwochvormittag wurde zum Schießplatz marschiert. Einer, der sein Schiffchen vergessen hatte, mußte eine Standpauke des kommandierenden Oberfeldwebels über sich ergehen lassen ( »Ein deutscher Soldat bewegt sich nicht ohne Kopfbedeckung!«) und im Laufschritt zurück zum Revier.
    Als Zielscheiben dienten Quadrate mit behelmten Köpfen ohne Gesicht. Fehlte das nun aus Rohheit? Oder zwecks Ausschaltung der Tötungshemmung?
    Beim Schießen, das im Liegen vor sich ging, durfte der Gewehrlauf weder schiefstehen noch verrissen werden, und man mußte Kimme, Korn und Ziel zur gleichen Zeit fixieren und sich dabei auch noch anschreien lassen.
    Meine Schüsse gingen allesamt daneben. Dafür hatten Selcke und Radunsky lauter Volltreffer gelandet und führten sich auf, als hätten sie soeben Stalingrad erobert. Echte Elitesoldaten: Scharfschützen mit Stroh im Kopf.
    An das Schießen schloß sich das Gewehrreinigen an. Der Obergefreite Meier, Uffz Krahl und Oberleutnant Wagner stiefelten von Stube zu Stube und beanstandeten

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