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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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näher eingehen, um dem Ruf unserer Stadt nicht noch mehr zu schaden« ( Jeversches Wochenblatt im Juli dieses Jahres).
    Die »Judenfrage in Jever« besteht aus einer Person. Vor 1933 hatte Jever eine große jüdische Gemeinde. Heute ist der 80jährige Friedrich Levy der einzige Jude in der Stadt. Wochenblatt -Chefredakteur Blume in einem Rundfunkinterview: »In Jever kennt jeder Herrn Levy, und wir waren der Meinung, daß es auch gerade im Interesse von Herrn Levy sein sollte, wenn die ›Judenfrage‹ in den Leserbriefen nicht mehr behandelt werden sollte.«
    Blumes Redaktion hat es mit den Interessen von Fritz Levy nicht immer so genau genommen: Nach einem nächtlichen Brand in Levys Wohnung präsentierte die Zeitung ihren Lesern ein großformatiges Photo des alten Mannes in Unterwäsche. Für eine hämische Bemerkung über Levy war sich das Blatt nie zu schade …
    Die alten Nazis in Jever betrachteten offenkundig schon die Anwesenheit eines einzigen Juden in ihrer Gemeinde als Affront.
    »Barfuß vor dem Richter« hatte das Wochenblatt im Sommer eine dumm-vergnügte Gerichtsreportage überschrieben: Levy war wegen Beleidigung angeklagt, weil er jeversche Bürger »Judenvernichter« und »Nazischweine« genannt hatte. Der medizinische Gutachter konstatierte bei Levy einen »paranoiden Einschlag und zeitweilige Verwirrungszustände«. Die Reaktionen einiger Mitbürger ( »Fritz, dich haben sie vergessen zu vergasen«) hatten kein gerichtliches Nachspiel.
    Paranoid? Nach dem Mord an sechs Millionen Juden?
    Mit zunehmendem Alter entfernte Levy sich mehr und mehr von bürgerlichen Konventionen. Alte und neue Vorurteile machten ihm zu schaffen, er wurde aggressiv und versponnen. Und so kam das Wochenblatt an seine »Judenfrage«. Tendenz: Daß Levy vor vier Jahren ein Auge ausgeschlagen wurde, fand die Zeitung nicht erwähnenswert. Das war ja nicht so komisch wie jenes Bild des alten Mannes in Unterwäsche.
    Prächtig, was man hier so alles übers gute alte Wochenblatt erfuhr.
    Ein rundes Dutzend Schüler des Marien-Gymnasiums, an dem Levy vor sechs Jahrzehnten ein glanzvolles Abitur ablegte, hat in einem Projektkurs Material zur Geschichte und Vorgeschichte des Nationalsozialismus in ihrer Heimatstadt gesammelt und viel Verdrängtes zutage gebracht. Wochenblatt -Chef Blume reagierte auf seine Weise: Als die Schüler in den Räumen einer Sparkassenfiliale eine Ausstellung zum Aufstieg der Nazis in Jever arrangierten, erzwang er – wohl in seiner Eigenschaft als Geschäftspartner der Bank – die Entfernung eines Photos seines Verlagsgebäudes; eben dieses Verlagshaus hatte 1938 eine Festschrift der örtlichen NSDAP gedruckt. Laut NSDAP -Festschrift galt das Wochenblatt schon 1924 als der »Völkische Beobachter« von Jever, das »die Hitlerbewegung schon in den ersten Jahren ihres Kampfes nach Kräften unterstützte«.
    Da konnte man bloß hoffen, daß der Ratsherr Levy sich nicht unterkriegen ließ.
    Papa und Volker schraubten im Keller an einem gottweißwoher stammenden Feldtelefon aus Kriegszeiten herum. Damit sollte Tante Dagmars Wohnung mit der von Volker verbunden werden. In Hannover hatte inzwischen auch seine Freundin ’ne kleine Wohnung. Und nur ich, ich armer Eumel, hatte nix.
    Heike mußte sich fürs Studium präparieren und konnte wieder nicht nach Meppen kommen. Immerhin war Hermann da. Im Bauhaus ließ er sich von mir Bericht erstatten über meinen Frondienst. Dessen strenges Reglement verblüffte ihn: Unter dem Kommando »Rührt euch!« beispielsweise hatte er sich die Lizenz zum Lümmeln vorgestellt.
    »Das wäre also das Exerzieren«, sagte er. »Und was treibt ihr da sonst den ganzen Tag?«
    Es war gar nicht so leicht, eine Antwort darauf zu finden. Die meiste Zeit beim Bund ging mit Gewurstel drauf.
    Bei ihm, erklärte Hermann, sei das ganz anders. »Meine Arbeitstage sind säuberlich strukturiert …« Und dann fing er wieder an, sich mit seinem Schlendrian und seiner Krankfeierei zu brüsten.
    Damit war er noch beschäftigt, als Mona Feddersen und Heiner Volkert sich zu uns setzten. Die Verdreifachung des Auditoriums wirkte befeuernd auf Hermanns Redegewalt, bis ihm Mona ins Wort fiel: Was denn das für eine Geisteshaltung sei? So oft wie möglich blauzumachen, und das auch noch in ’ner Klinik! »Was steht ’n da für ’ne Lebensauffassung dahinter?«
    Mit dem lahmen Einwand, daß er nur Verwaltungsarbeit mache und noch keinem Patienten geschadet habe, konnte Hermann die Scharte nicht

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