Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Badezimmer. Oder sollte ich erst ein Vollbad nehmen?
Haargenau. Das heiße Wasser rauschte in die Wanne, und ich fügte einen Schuß Shampoo hinzu. Schauma Apfelblüte. Den würde Bärbel oder Edith – je nachdem, wem die Tube gehörte – schon entbehren können.
Und hinein in dampfende Suppe! Das heißt, vorher noch die Füße mit kaltem Wasser umbrausen, um den Übergang ins heiße abzumildern. Gelernt war gelernt.
Nach dem Baden rief ich Heike an und lud sie zu mir ein. Das auf dem Flur stehende WG -Telefon hatte einen Zähler, und die vertelefonierten Einheiten mußte man in ein Büchlein eintragen.
In meinem Kabäuschen fühlte Heike sich aber kein bißchen wohl. Natürlich war das Kuddelmuddel noch groß, doch sie fand auch die Decken zu niedrig und die Küche zu klein und die Wände zu dünn und das ganze Ambiente zu spießig. Wer wohne denn, fragte sie, freiwillig Tür an Tür mit ’nem Unternehmensberater, der zudem noch der Vermieter sei? Da könne man ja auch gleich in die Arbeitgeberverbandszentrale einziehen.
Folglich nahmen wir unser Nachtmahl – Nudeln mit Sauce hollandaise – bei Heike ein.
Als ich morgens in Frau Perlachers Büro erschien, war sie bereits dabei, das Gerümpel von meinem künftigen Schreibtisch zu räumen. Und sie hatte einen neuen Job für mich: Ich sollte bei der Altenbetreuung aushelfen, weil einer der Außendienstzivis die Grippe hatte.
So lernte ich Frau Kyritz kennen, eine Greisin, die in einer Art Mansarde in der Heeper Straße wohnte und mir die verkrüppelte Rechte entgegenstreckte. Damit sei sie als junges Mädchen unter die Straßenbahn gekommen. Dann erhielt ich die Einkaufsliste: Schinkenwürfel, Wirsing, Birnen, Leinsamenbrot und schwarzer Johannisbeergelee. Ich entdeckte aber bloß roten, und mit dem schickte Frau Kyritz mich unbarmherzig zurück an die Front. Einen Laden, der auch schwarzen Johannisbeergelee feilhielt, fand ich erst nach einer vollen Stunde Sucherei, was wiederum Frau Kyritz ergrimmte: Wo ich denn so lange gesteckt hätte und so weiter.
Sie erwartete dann noch von mir, daß ich ihr bei einer Tasse Kaffee Gesellschaft leistete. Den Kaffee kochte sie auf eine abenteuerlich umstandskrämerische Weise, und als sie ihn endlich eingeschenkt hatte, wies sie mit ihrer Kralle auf ein Bücherschränkchen und sagte, dort stehe »gute, gute, gute Literatur«. Die Scharteken trugen Titel wie »Krieg als Saat«, »Die Verbrechernatur der Juden«, »Deutschlands Auferstehung« und »Die jüdische Weltpest«. Lauter üble Nazi-Scheiße.
»Das ist sehr, sehr gute Literatur«, sagte Frau Kyritz und rollte dabei mit den Augen. »Ein Erbe von meinem gefallenen Mann!«
Von dem stand ein gerahmtes Foto auf einem Wandbord: Herr Kyritz mit Totenkopfmütze. Der war also bei der SS gewesen.
( »Gute, gute Literatur!«)
Aus dem Spiegel erfuhr man, daß der Krimi-Autor George Simenon in seinem Leben zehntausend Frauen »besessen« habe. Donnerschlag! Wie hatte der die alle rumgekriegt? Und wann? Bei einem schriftstellerischen Ausstoß von achtzig Seiten pro Tag?
Bärbel staunte meine Bücher an. »Hast du die alle gelesen?«
Blöde Frage.
Auch wenn Heike es bei mir nicht toll fand, wollte ich sie mal bekochen, und damit nichts schiefgehen konnte, hatte ich mich für Salami-Pizza entschieden. Heike mochte aber keine Salami-Pizza und erst recht keine aufgebackene.
Oben übten die Vermietertöchter Gitarre und sangen dazu dreistimmig »We shall overcome«.
Es gebe Grenzen, sagte Heike, und da gingen wir eben doch wieder zu ihr.
Bei zwei Omas im Ortsteil Brackwede mußte ich die verfilzten Teppiche saugen, in denen sich ungezählte Hundehaare verfangen hatten. Der Verursacher, ein Pekinese, wälzte sich auch in den Betten.
Noch unangenehmer war es bei einer Oma, die mich zwang, ihren Wohnzimmerteppich umzudrehen und von unten zu saugen. Ich hatte das zunächst für einen Scherz gehalten, aber nein, die meinte das ernst! Diagnose: Gehirnerweichung.
In einer Kaffeepause im Büro erzählte mir Herr Thielke, daß er in seinen jungen Jahren John F. Kennedy vergöttert habe. Der sei für ihn ein Idol gewesen.
»Und die Invasion in der Schweinebucht?«
»Hat mich nicht so interessiert. Und ich glaube übrigens bis heute, daß Kennedy den Vietnamkrieg irgendwie abgebogen hätte …«
»Gegen den Willen der amerikanischen Rüstungskonzerne?«
»Ja. Soweit es in Kennedys Macht gestanden hätte. Deswegen haben die ihn ja auch ermordet. Die und die Mafia. Davon bin
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