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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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Spaghetti gekocht und auch mir einen Tellervoll aufgetan. Das Küchentischlein bot jedoch nur elend wenig Platz. Und wohin mit den Beinen?
    Ich nahm den Teller auf den Schoß. Beim Aufwickeln der Nudeln tropfte mir dann allerdings Tomatensoße aufs Hosenbein, und ich machte auch beim Smalltalk eine schlechte Figur. Zu den angerissenen Themen – Urlaub in der Algarve, der portugiesische Wechselkurs und Verkehrserziehung im Vorschulalter – hatte ich absolut nichts beizutragen.
    Wenigstens war Bärbel Raucherin. Das richtete mich auf.
    Im Programmkino lief auch »Stroszek« von Werner Herzog. Stroszek, ein komischer Kauz, wird aus dem Knast entlassen und wandert mit einer Freundin und einem alten Spinner nach Amerika aus, wo sie ein mobiles Haus beziehen, das mit allen Möbeln drin von einem LKW gebracht und in die Gegend gestellt wird. Dann haut die Freundin ab, und weil Stroszek die Miete nicht bezahlen kann, wird das Haus zwangsversteigert und wieder weggekarrt.
    Bruno S., der Hauptdarsteller, war derselbe wie in dem Kaspar-Hauser-Film und offensichtlich kein Profi, aber eben deshalb gerade gut für solche Rollen.
    Bei den Erhards in Sennestadt, denen ich am Sonntagnachmittag mal wieder meine Aufwartung machte, stand ein Betonmischer auf der Gartenterrasse, und bei Oma Schlosser stellte sich die Frage: Kaffee, Tee oder Karottensaft?
    »Das Abendrot habe ich hier in voller Pracht als Aussicht«, sagte Oma, und sie fragte mich nach meiner Einschätzung der Kriegsgefahr, bevor sie selber zu erzählen anhob: »Im Ersten Weltkrieg, der seinerzeit natürlich noch nicht so genannt wurde, war ich in Weimar in einem Mädchenpensionat, und alles war verboten. Da durften wir am Sonntagvormittag an unsere Eltern Briefe schreiben, aber das war mehr Zwang als Vergnügen. Der Gang zum Brief kasten war nicht erlaubt. Warum, das weiß ich nicht, denn es war ja Krieg, und alle jungen Männer waren fort, und zur Tanzstunde fehlten sie auch. Weil ich so lang war, hatte ich beim Tanzen meistens die Herrenrolle, und ich hab es deswegen wohl nie richtig gelernt …«
    1945 sei ihr Leben in zwei Teile auseinandergefallen. Vor der Flucht und nach der Flucht. »Da bangten wir um das Leben deines Vaters und um Tante Hannas Leben und auch um das Leben deiner Tante Gertrud …« In den Nachkriegsjahren seien die Kinder so oft wie nur möglich zu der geretteten Tante Hanna gefahren, nach Keppel, jeden Sommer. Aus grauer Städte Mauern. Und 1965 sei sie, also Oma Schlosser, von Tante Hanna und Fräulein Kunze zur Nachkur in Sümmern aufgenommen worden, »ehe ich als alte Frau ganz lahm und hilflos gar nicht mehr gewußt hätte, wie’s weitergehen sollte …«
    Aber um noch einmal zurückzuschauen: Ein Zeichen des Neubeginns sei der Einführungsgottesdienst in der Dortmunder Paulskirche gewesen, 1948, am Sonntag Cantate. Sie denke da an die Verse von Hermann Hesse:
    Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
    Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
    Und die Toten?
    Als ich abends in Meppen anrief, war Mama mit Papa soeben aus Wiesbaden zurück, wo sie Onkel Dietrichs Geburtstag gefeiert hatten, und davor war sie ganz bis Lindau gewesen, um sich an Tante Hannas Krankenbett von deren Genesung zu überzeugen.
    Irre, diese Gurkerei: Meppen – Lindau – Wiesbaden – Meppen. Vielleicht hatte Mama ja wirklich Zigeunerblut.
    Bärbel erklärte mir die Waschmaschine von der Luke für das Weichspülmittel bis zum Schleudergang. Ich kam dann aber irgendwie mit den Knöpfen nicht klar und mußte Bärbel dreimal um Hilfe bitten. Die ersten beiden Male hatte sie noch gelacht.
    Hinter Frau Perlacher stand ein Radio auf ’m Schrank. Das machte sie jeden Morgen an, noch bevor sie den Mantel auszog. Die Lautstärke aber war und blieb so eingestellt, daß man nur Gebrabbel hörte. Ein geniales Konzept – Stromverschwendung plus Nervenbelastung.
    Der Chef des Wohnungsunternehmens Neue Heimat, Albert Vietor, hatte sich laut Spiegel über Jahre unrechtmäßig bereichert, auf Kosten der Mieter, wobei es noch besonders skandalös war, daß der Laden dem DGB gehörte. Wie dieser Vietor dabei allerdings vorgegangen war, verstand ich nicht, und ich hatte auch keine Lust, den Artikel zu Ende zu lesen.
    Das führende Bielefelder Lokalblatt war die Neue Westfälische Zeitung , kurz NWZ . Täglich mit der Rubrik:
    Nachrichten aus der Großstadt Bielefeld
    Darauf bildeten sie sich wohl was ein, die Redakteure, daß sie in ’ner Großstadt wohnten. In richtig großen

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