Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Städten hätte man sich das geschenkt. »Nachrichten aus der Großstadt New York« – eine solche Rubrik wäre da nicht nötig gewesen.
Supernervig war auch der dauernd wiederkehrende Begriff »Leineweberstadt« als Synonym für Bielefeld.
Heike hatte jetzt Semesterferien und machte ein Praktikum bei einer Gefangenenresozialisierungsstelle. Dafür gab’s keinen müden Cent Lohn.
Was die Knastbrüder wohl von Heike dachten? Die kriegten doch sicher nicht alle Tage ’ne fesche Studentin zu sehen?
Das Eintrittsgeld für den Godard-Film »Rette sich, wer kann (das Leben)« hätte ich mir wiedergeben lassen sollen. Einen solchen Riesenmumpitz konnten echt nur die Franzosen zusammenschustern! Heike und ich saßen danach total unzufrieden über unserm Bier.
Am Freitagabend fuhren wir nach Meppen, wo ich einen Brief vom Spiegel vorfand. Hans-Werner Kilz von der Deutschlandredaktion ließ mich wissen, daß man mein Tagebuch »teils mit Vergnügen und teils mit Kopfschütteln« lese.
Aber es ist schwierig, Ihre Aufzeichnungen im SPIEGEL journalistisch zu verwerten.
Klar. Der Bundeswehralltag eignete sich nicht als Stoff für ein seriöses Nachrichtenmagazin.
Gustavs Ansehen war auf einen neuen Tiefstand gesunken, weil er nun doch wieder ganz bei Oma Jever wohnte. Papa sagte, es sei kein Ruhmesblatt für einen Mann von 28 Jahren, immer noch am Rockzipfel der Großmutter zu hängen.
Wie ich auf der Rückfahrt erfuhr, hatte Heike sich am Samstag in der Top-Disco mit Axel Reinerts Schwester Tina unterhalten. »Und die hat mir gesagt, daß du mit Mona Feddersen Schlittschuhlaufen gewesen bist und daß ihr auch zusammen essen gegangen wärt, beim Jugoslawen. Da hat euch ’ne Freundin von Tina gesehen.«
»Ah, ja, das stimmt …«
»Und wieso hast du mir da nichts von erzählt?«
Ich sagte ihr, das sei mir nicht so wichtig erschienen.
»Tina sagt aber, ihr hättet beim Schlittschuhlaufen richtig verliebt gewirkt, so Hand in Hand und alles …«
»Ja, weil ich sonst auf die Schnauze gefallen wäre! Diese Tina scheint aber auch ’ne geborene Klatschbase zu sein!«
Heike rollte sich geruhsam eine Zigarette und sagte: »Aber eins würd’ ich doch mal gern wissen – hast du Mona eingeladen oder hat die ihr Essen selber bezahlt?«
»Sie hat den Wein spendiert und ich das Essen.«
»Ach so. Und war’s denn gut?«
»Das Essen?«
»Nein, ich meine, ob das Essengehen mit Mona gut war.«
»Ja, schon. Aber sonst läuft da zwischen uns nichts. Falls du das gedacht haben solltest.«
»Nee. Das glaub ich dir schon.«
Uff.
Ich schrieb Mona einen unverfänglichen Brief und brachte darin einen Passus über Tinas Tratsch unter. Es war nur fair, auch Mona vor diesem Waschweib zu warnen.
Bei der AWO saßen immer irgendwelche Sozialfälle im Flur und warteten auf ihre Termine bei Frau Reding oder Herrn Bradebecher. Türkische Mütter und Muhmen mit plärrenden Kindern und ermattete, dickbäuchige Familienväter.
Ich selber mußte jetzt im großen Stil Briefe frankieren. Darüber hinaus geschah nichts von irgendwelcher Bedeutung.
Einen Freund schienen weder Bärbel noch Edith zu haben. Jedenfalls kriegten sie niemals Herrenbesuch.
Ich rief Hermann an und schlug ihm vor, am Wochenende mal wieder nach Hamburg zu trampen. Die Idee fand er gut. Nur ging in Hamburg leider Magnus nicht ans Telefon, und auch bei Julia nahm niemand ab.
Egal. Versuchten wir’s eben so!
Den Freitag hatte ich frei, und da Osnabrück auf meiner Heimfahrtstrecke lag, war die erste Etappe auch die bequemste.
Hermann hatte seine Reiseklamotten gleich mit ins Büro genommen. Eine halbe Stunde mußte er noch arbeiten, als ich dort ankam.
Schick, das alles mal zu sehen! Die Fenster waren höher, und es gab mehr Zimmerpflanzen, aber die Angestelltengesichter unterschieden sich nicht groß von denen bei uns. Selbst die Brillen waren die gleichen. Vielleicht gab es ja irgendwo eine Anstalt für die Züchtung austauschbarer Büromenschen.
Der eine seiner Mitbewohner, berichtete Hermann, habe einen merkwürdig hohen Verschleiß von Kanarienvögeln. »Ich erkläre mir das so: Wenn der sich abends betrinkt, dann spielt er mit seinem Vögelchen und steckt es sich in Brusttasche, und wenn er einschläft und sich auf die Seite dreht, drückt er’s platt. Und dann liegt wieder ’n toter Kanarienvogel im Küchenmülleimer.«
Der andere Mitbewohner habe einmal einen dicken, von Hermann geborgten Band aus der Edgar-Allan-Poe-Ausgabe in der Mitte aufgeschlagen
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