Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
ich fest überzeugt.«
Heike hatte abends was in der Uni, und ich mußte mich allein versorgen. Es war sowieso mal Zeit für einen Großeinkauf in dem einen Supermarkt in einer Parallelstraße der Bonhoefferstraße: Reis, Nudeln, Schnitzel, Möhren, Bier, Tee, Kandiszucker, Sahne, Toastbrot, Butter, Marmelade, Kaffee, Filtertüten und Kondensmilch. Und Tabak natürlich.
Was mich wirklich erschütterte, waren die astronomischen Preise für Käse. Da hätte man auch gleich Kaviar fressen können.
Am Morgen ging das Scheißmarmeladenglas nicht auf, und an den Kaffee gelangte ich erst nach erbitterten Kämpfen mit der vakuumversiegelten Packung. Der Herd, der Fußboden, die Spüle – alles voller Kaffeepulver. Und wo steckten Handfeger und Schippe?
Ich hörte, wie Edith aufstand und aufs Klo ging, was ja an sich nicht weiter tragisch gewesen wäre, aber sie kam einfach nicht wieder raus, und ich hätte nun auch mal gemußt.
Wie lange gedachte sie da zu verharren? Mußte man in einer WG nicht auch mal an die menschlichen Bedürfnisse der Mitbewohner denken?
Und wieder ’ne andere Oma. Der sollte ich die Bild -Zeitung mitbringen. Ich behauptete einfach, die sei ausverkauft, doch da jagte mich die Oma wieder los: »Das hat’s noch nie gegeben! Ihr Kollege hat mir die auch immer geholt! Die liegt da an der Kasse aus!«
Tante Dagmar schrieb mir, daß sie ihrem NDR -Kollegen Alfred Paffenholz mein Bundeswehrtagebuch gegeben habe.
Und daher die schnelle Karte: »Texte und Zeichen« in dieser Woche hören! Er will daraus zitieren, wußte aber noch nicht, ob Do oder Fr (1905 – 1950)! Und Gisela Lindemann, die ja gleichfalls hier im Kulturellen Wort arbeitet, will das Tagebuch morgen Erich Fried mitgeben. Sie war begeistert. Auch ich bin sehr angetan.
Das war ja mal ’ne Nachricht. Und auch Oma Jever bedankte sich für das Tagebuch:
Natürlich gefallen mir die Ausdrücke nicht (Du weißt wohl, welche?). Die passen ja auch nicht in die Umgangssprache einer alten Frau aus andern Zeiten. Aber sie sind in Deinem Fall wohl angebracht.
Anbei ein Schein, denn Du hast sicher viele Kosten gehabt. Wie schön, daß Deine Mama Dich beim Umzug tatkräftig unterstützt hat! Hoffentlich weißt Du zu schätzen, was Du an ihr hast!
Der Schein war ein grüner. Zwanzig Mark. Die hätten schon wieder für ein halbes Mal Schwarzfahren gereicht, doch jetzt hatte ich ja ’ne Monatskarte.
Ich wollte mir Spinat zubereiten, nur nicht gleich einen ganzen Klotz. Aber wie kriegte man den klein? Ohne Axt?
Ich mühte mich mit dem Brotmesser ab, das davon nicht schöner wurde, und am Ende brannte der Spinat so fürchterlich im Topf an, daß Bärbel in die Küche gelaufen kam und das Fenster aufriß.
Die Hoffnung, daß ich Heike doch noch mal zum Übernachten bei mir bewegen könnte, trog. Es war ihr zu beengt in meiner WG . Links telefonierte der Vermieter, von rechts nervte Bärbels Glotze, in der Küche schlurfte Edith rum, und oben waren die drei Töchter wieder am Schrammeln.
Frau Reding, Frau Öhlschläger und Frau Perlacher tauschten sich allmorgendlich raunend darüber aus, welche Laune der Chef hatte. Dabei dienten ihnen dessen Stirnfurchen als Stimmungsbarometer.
»Und wie isser heute drauf?«
»Könnte schlimmer sein.«
»Der freut sich halt auch schon aufs Wochenende.«
»Nee, da muß er doch nach Ibbenbüren!«
»Vielleicht hat er das ja vergessen.«
»So wie neulich diesen Termin in Herford …«
»Oh, da hat’s aber gerappelt, kann ich Ihnen sagen!«
Wie die Hühner. Gack-gack-gack.
Und wieder die Nazi-Oma: »Gute, gute Literatur! Sehr wertvoll! Sehr, sehr wertvoll!«
Jajaja.
Für den Donnerstagabend kaufte ich Sekt – nicht Faber, sondern MM – und radelte hochgemut zu Heike. Es gab noch Streß, weil wir den Sender zuerst nicht fanden, und als wir ihn drinhatten, hielt sich die Spannung bis ungefähr 19.48 Uhr auf hohem Niveau. Dann ging die Sendung zuende, ohne daß mein Tagebuch erwähnt worden wäre, und am Freitagabend wiederholte sich das Ganze: kein Tagebuch, kein Martin Schlosser. Nix.
Das sei im Rundfunk leider oft so, sagte Tante Dagmar mir am Telefon. »Da wird fast alles mit der heißen Nadel gestrickt …«
Am Samstag mußten bei uns der Flur und die Treppe gereinigt werden. Das stand so im Mietvertrag, und man mochte zwar denken, daß keine unabdingbare Notwendigkeit dazu bestand, aber wenn man sich hinterher das Wasser im Putzeimer ansah, wußte man Bescheid.
Bärbel und Edith hatten
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