Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Tag. Und wir hatten einfach keine Gemeinsamkeiten. Dietmar interessierte sich für Free Jazz, und ich mußte die Platten auflegen und mir stundenlang das Trompetengequieke mit anhören. Oder mir von Dietmar lauter Stuß erzählen lassen, wie zum Beispiel den, daß das Geschnatter des TV -Politmoderators Friedrich Nowottny »allerfeinste Satire« sei.
Und von wegen Studium der Psychologie – es war vorlesungsfreie Zeit, und als ich einmal den Namen Sigmund Freud ins Spiel brachte, ließ Dietmar das Gespräch sofort verebben.
Mit der Mutter verstand ich mich aber gut. Was die wohl auszustehen hatte und schon gehabt hatte, nervlich und seelisch, mit einem querschnittgelähmten Kind im Haus!
Mittags aß ich am Familientisch mit und mußte nebenbei wieder Dietmar füttern. Er hatte eine grimmige sechzehnjährige Schwester, die eine Diät machte und nur so eine Art Vogelfutter zu sich nahm. Der Vater kam immer erst abends nachhause, wenn ich bereits gegangen war.
Für die Griechenlandreise gab ich Heike die Werke von Kleist und den Roman von Kipphardt mit. Sie wollte mit Gila, die ich noch kein einziges Mal gesehen hatte, zunächst nach Bückeburg fahren, deren Heimatstadt, wo eine Familienfeier steigen sollte, und dann von Berlin aus abfliegen.
Es stand in den Sternen, ob sich in Heikes Abwesenheit was mit Gabi tat. So allmählich hätte die ruhig mal wieder zurückschreiben können.
Dietmar freute sich darüber, daß Arminia Bielefeld die Bundesligatabelle anführte – mit 4:0 Punkten. Was ’n Quatsch. Das bedeutete doch überhaupt noch nichts. Und wenn ich selber querschnittgelähmt gewesen wäre, hätte ich mir aus dem ganzen Sportgedödel erst recht nichts gemacht.
Höchstens aus Schach.
Dann die Bombe: Julia hatte mir geschrieben! Die treue Seele! Wurde vielleicht doch noch was aus ihrem Besuch?
Lieber Martin!
Ein Auftakt nach Maß. Es folgten aber nur wenige Zeilen:
Eben gerade habe ich über Deinen Brief nachgedacht, und ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß ich mich reichlich beknackt ausgedrückt haben muß. Es war keine Pflichtübung für mich. Umständlich entschuldigt hatte ich mich bloß wegen der langen Zeit, in der ich nicht geschrieben hatte. Aber das ist jetzt gleichgültig, denn Du weißt, daß es nicht so ist.
Wie blöd von mir! Den Gedanken, daß es eine Pflichtübung sein könnte, mir zu schreiben, hatte ich ihr damit ja überhaupt erst eingeimpft!
In den letzten drei Wochen war ich jeden Tag auf einem anderen Markt mit meinen Taschen (Damentaschen, oho!). Es waren aber nicht meine, sondern die von einem Unternehmer, der auf jedem Markt drei Stände hat. So rentiert es sich für ihn fast immer, und ich bekomme Stundenlohn mit 5 % Gewinnbeteiligung. Von dem Geld mach ich noch einmal Urlaub auf Sardinien mit meinem Freund, und ich freue ich mich irrsinnig darauf.
Mit ihrem Freund! Wo kam denn der auf einmal her? Mußten immer alle Frauen Freunde haben?
Nach Amerika geht’s erst im September. Etwas Bammel habe ich schon davor.
So, und nun laß es Dir aber gut ergehen! Julia
P. S.: Eben habe ich einen guten Spruch gelesen: »Regierungen fürchten ihr Gesicht zu verlieren. Wann ehren Völker, statt toter Soldaten, Regierungen mit verlorenem Gesicht?«
Toller Spruch. Und kein Wörtchen zu der Einladung, mich besuchen zu kommen! Stattdessen nur Gequarre über Handtaschen und den Sardinienurlaub mit dem selbsternannten Freund. Wozu sollte ich darauf noch antworten?
Dietmars Mutter entdeckte dunkle Flecken auf dem Eßzimmerteppich, und die Nachforschungen ergaben, daß ich vergessen hatte, den Urinbeutelausgang zu schließen.
Als ich das nächste Mal in Meppen einlief, waren auch die Blums gerade angelangt. Die hatten Urlaub auf Wangerooge gemacht. Wie das wohl ging: Urlaub mit einem permanent kreischenden Wickelkind?
Wiebke war jetzt in der Oberstufe. Und im Keller rückte Papa mit einer neuen elektrischen Supersäge den Brettern zu Leibe, die er für die Isolierung seines Arbeitszimmers brauchte.
Das Finanzamt Lingen hatte mir einen Bescheid über den Jahresausgleich für 1981 geschickt. Ich kapierte kein Wort davon. Schon gar nicht das Wort »Pauschbetrag«. Ich begriff auch das ganze System nicht: Erst wurden Steuern eingezogen oder einbehalten, und dann kriegte man sie zurückerstattet? Was sollte der Käse?
Auf dem Klavier lagen Fotos von einer Englandreise, die Mama mit Wiebke unternommen hatte, und auch welche von Oma Jevers Geburtstag. Alle fünf Töchter in exakt
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