Alle Vögel fliegen hoch
Ein Giftpaket . Nachfolgende Erpresserschreiben ließen häufig an Höflichkeit zu wünschen übrig. Für Antwortbriefe an Erpresser fand ich keine Vorschläge und entschied mich schließlich für Druckbuchstaben, als würde ich ein Formular ausfüllen:
Ich tue alles, was Sie wollen. Bitte geben Sie mir meinen Hund zurück. Bitte melden Sie sich schnell. Ich bin zu allem bereit. Leider weiß ich nicht, was Sie suchen oder brauchen. Ich gebe Ihnen alles, was ich kann. Bitte sagen Sie mir genau, was Sie möchten oder vermissen oder suchen. Ich werde es beschaffen. Das Leben meines Hundes steht für mich an erster Stelle. Ich bin leider nicht reich. Bitte geben Sie meinem Hund genug zu trinken und auch zu essen. Bitte. Ich erwarte Ihre Instruckzionen. Gerne auch am Telefon. Das Handy ist immer an. Der Hund kann überhaupt nichts dafür. Er ist völlig schuldlos an allem, was Ihnen widerfahren sein mag. Bitte tun Sie einem unschuldigen Lebewesen nichts. Bitte lassen Sie ihn frei. Danke.
Viel zu lang! Und zu kompliziert. Und das mit den falsch geschriebenen Instruckzionen gefiel mir auch nicht. Er könnte sich verarscht fühlen, wenn er den Fehler absichtlich eingebaut hatte. Ich schrieb den Brief noch mal und legte ihn probeweise in die Tupperbox mit dem blauen Deckel. Am Hochsitz würde ich das Behältnis mit einem Stein beschweren, für den Fall, dass Wind aufkäme. Ich rief Andrea an und bat dringend um Rückruf. Später würde ich meinen
Brief mit ihrer Hilfe vervollkommnen. Bestimmt konnte sie mir helfen, das Wesentliche herauszuarbeiten, das Herz des Entführers zu erweichen, damit er Flipper freiließ.
Um 18 Uhr rief ich Felix an. An seiner Stimme hörte ich, dass er keine Zeit hatte.
»Gibt’s was Neues?«, fragte er.
»Taubenzüchter und Bauern, die Hühner halten! Das sind die Feinde der Greifvogelfreunde.«
»Das ist doch Schnee von gestern. Glaubst du, das hätten wir nicht längst überprüft?«
»Warum ist dann nichts passiert? Warum habt ihr den Waldschrat nicht selbst gefunden und …«
»Wen? Wer ist das schon wieder? Was läuft da?«
»Den Professor Metzger! Warum ermittelt ihr dauernd im Patentamt?«
»Augenblick«, sagte er und »Entschuldigung«, und ich ahnte, dass das nicht für mich bestimmt war. Es raschelte, dann hörte ich eine Tür knallen, und dann knallte er mir eine. Symbolisch. Immerhin zeigte er am Ende seines Anschisses Verständnis für meine Situation. »Du bist völlig durch den Wind wegen Flipper.«
»Aber das stimmt doch, oder, dass ihr euch auf das Patentamt konzentriert habt?«
»Ja. Und das war auch richtig so, weil die Kollegen von der Wirtschaftskriminalität jetzt eine Tonne Akten zur Durchsicht beschlagnahmt haben. Wir sind da durch Zufall einer Riesensache auf die Spur gekommen, mit der Klaus Hase allerdings nichts zu tun hatte, wie sich nun final herausgestellt hat. Mich würde jetzt aber mal interessieren, woher
du davon weißt. Da steht doch noch nichts in der Zeitung? Schon gar nicht der Zusammenhang!«
»Also habt ihr was gefunden, aber nicht das, was ihr gesucht habt und jede Menge Zeit verschwendet und das, was ihr suchen sollt, findet ihr nicht: meinen Flipper.«
»Franza …«, begann er.
Ich drückte ihn weg.
Ich füllte Flippers Napf mit frischem Wasser und googelte durch die weite Welt. Hauptsache, Zeit verging. Ein schwarzes kurzes Haar landete auf meiner Tastatur; mit einer Träne versenkte ich es zwischen G und H – und landete auf einer Brieftaubenseite, wo ich von einem Star der Flugszene las, der in einer Rekordgeschwindigkeit von 133 km/h bei einem Weitstreckenflug von 1178 Kilometern gegen 25 807 Mitstreiter gewonnen hatte, was ein sensationelles Angebot aus Asien zur Folge hatte: 300 000 Euro wurden für diese Taube geboten.
… Und wenn Felix und sein Chef sich irrten? Wenn es nicht um Hardware ging, sondern um Software. Taube statt Laptop. 300 000 Euro! Dafür lohnte sich eine Entführung. Ich wusste sofort, wen ich diesbezüglich befragen wollte, und wenn er sich weigerte, würde ich ihn anzeigen, weil er mit einem Gewehr auf mich gezielt hatte. Der Beweis dafür befand sich in meinem Handy.
Der rote Kangoo preschte die Kiesstraße, die zu Tauben-Rudi führte, mit hohem Tempo entlang und bremste abrupt, als ich von der kleinen Landstraße abbog. Rudis Tochter winkte. Freundlich. Und gestikulierte mir, ich solle anhalten. Kaum
stand der Kangoo neben meinem Volvo, öffnete sich die Tür, Sarah sprang aus dem Wagen und
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