Alle Vögel fliegen hoch
dass ich alles tun werde, dass ich aber leider nicht weiß, was genau von mir verlangt wird. Alles andere ist mir zu riskant!«
»Natürlich wirst du hingehen. Aber erst, wenn wir das sagen.«
»Du kannst mir gar nichts befehlen!«
»Franza! Fahr jetzt nach Hause! Ich bringe den zweiten Erpresserbrief weg, danach bin ich bei Simon, und dann melde ich mich bei dir.«
Felix signalisierte der Kellnerin, dass er zahlen wollte.
»Si, si«, gurrte sie und schwang ihre Hüften genüsslich an unseren Tisch. Felix ließ einige Münzen in ihre Hand gleiten. Ihr Blick hielt ihn fest. Er grinste.
Das Grinsen glühte noch in seinem Gesicht, als er sich wieder mir zuwandte. »Mach dir keine Sorgen, Franza. Einer unserer Leute ist in der Nähe deines Hauses und passt auf dich auf.«
»Und der meldet dir, ob ich schön brav bin?«
»Was anderes will ich nicht hören.«
Ich war ganz brav und ließ meine eventuellen Beschatter ausruhen. Ich blieb zu Hause und googelte Greifvögel und Greifvögelfallen und Jäger . Anscheinend war nicht jeder Jäger so nett wie der, den ich getroffen hatte. Auch nicht jeder Vogelschützer war so nett wie Herr Holzinger. Von Leuten las ich, die schwer bewaffnet durch die Gegend rannten und Vögel abknallten. Das Bedürfnis, mit jemandem darüber zu sprechen, zerriss mich fast. Ich suchte die Nummer von Waldschrat Professor Ludwig Metzger heraus und überschüttete ihn mit abgehackten Greifvögelfüßen, geköpften Krähen, in der Mitte zerrissenen Habichten und verdursteten Lockvögeln. Als ich endlich tief Luft holte, sagte er: »Ja. Das ist alles richtig.«
»Mein Hund ist auch weg«, sagte ich. »So hat alles angefangen. «
»Der war doch recht brav.«
»Er ist entführt worden, und ich glaube, es hat was mit den Vögeln zu tun.«
»Ich kenne einen Papageienzüchter, dem wurden mal alle Vögel geklaut.«
»Hat Klaus Hase Feinde gehabt?«, rief ich aufs Geradewohl, denn seine Feinde waren nun auch meine Feinde, was sie von ihm wollten, sollte ich ihnen geben.
»Alle Greifvogelfreunde haben Feinde.«
»Ja?«, rief ich. Mein Herz schlug bis in den Hals.
»Ich dachte, Sie haben sich schlaugemacht.«
»Ich bin dabei.«
»Bauern mit Hühnern und Brieftaubenzüchter«, sagte der Waldschrat knapp.
Vor meinem geistigen Auge erschien Flipper, entspannt
auf dem Hof der Widmanns liegend – umgeben von gackerndem Federvieh.
»Es ist ein Geben und Nehmen«, sagte der Waldschrat. »Wer Hühner hält, sollte sich nicht darüber aufregen, wenn er seinen Zehnten abgibt. So war das schon immer. Man muss das vom Ende her denken. Das hängt alles zusammen.«
»Angeblich sollen Falkner stets ein Bündel Zehneuroscheine in der Jackentasche haben und sie den Besitzern in die Hand drücken für die geschlagenen Hühner und Tauben. «
»Zehn Euro! Damit kommen Sie bei einer Preistaube nicht weit. Da zahlen Sie auch fünfstellige Beträge.«
»Fünfstellig!«
»Freilich. Aber so was lässt man nicht mehr fliegen. Die verwendet man zur Zucht.«
»Für Tauben!«
»Ich habe gedacht, Sie haben recherchiert?«
»Ich habe doch gerade erst angefangen! Ich bin bei den Greifvögeln hängengeblieben.«
»Zu Recht. Die sind auch relevant für das Ökosystem. Die Taubenzucht hingegen, und das ist gerichtlich festgelegt, ist als Hobby zu bewerten. Insofern haben die Halter die Verluste hinzunehmen, die beim Freiflug ihrer Tiere entstehen.«
»Das ist Neuland für mich. Ich habe einen Hund, keinen Vogel!«, verteidigte ich mich.
»Allein zwischen 1935 und 1939 wurden von der deutschen Jägerschaft an die 550 000 Greifvögel als abgeschossen gemeldet. Das hat die wenigsten interessiert. Damals nicht und heute nicht. Wer kein Geld hat, hat keine Stimme. So ist der Kapitalismus gebaut.«
Auf meinem Fensterbrett saß eine Taube. Legte den Kopf schief und musterte mich. Dort hatte noch nie eine Taube gesessen. Sie steckte ihr Köpflein unter einen Flügel, ruckte hin und her.
»Greifvögelfreunde haben nichts gegen Taubenzüchter. Sie haben etwas gegen die Kurzsichtigkeit der Leute. Greifvögelfreunde wissen, dass auch Kampagnen gegen Tauben geführt werden, worunter besonders die alten Damen leiden, die sie füttern. Für viele ist das die einzige Freude in ihrem Leben. Aber ständig beschweren sich die Leute über die Tauben. Tauben seien dreckig und würden Krankheiten übertragen – nur die Friedenstaube nicht. Niemand kümmert sich um die Ursachen, und dazu gehören beispielsweise auch die vielen
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