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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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dann!«, verabschiedeten sich die Polizisten.
    »Vorsichtig Flipper. Hopp!«, befahl ich ihm.
     
    »Konzentriert euch auf euren Atem«, sagte ich am nächsten Morgen zu meiner Yogagruppe, »und nehmt wahr, wie er immer leichter fließt. Mit jedem Ausatmen gebt ihr Ballast ab und mit dem Einatmen tankt ihr neue Lebenskraft.
Genießt die Frische und Freude, die euch erfüllen. Lasst den Atem einfach geschehen, seid ganz da.«
    »Konzentriert euch auf das Hier und Jetzt«, sagte ich am Abend, »seid ganz präsent in diesem Augenblick«, und war doch selbst aus dem Jetzt gekippt.
    Neuerdings verlegte ich den Autoschlüssel und vergaß meine Karte im Geldautomaten, ich kaufte doppelt ein, aber nicht das, was ich brauchte, und ich konnte nicht schlafen, obwohl ich hundemüde war. Kaum schloss ich die Augen, fraßen sich Maden durch meine Lider, und Schwärme von Krähen verschatteten meinen Himmel.
     
    Zum Glück musste ich mir keine Vorwürfe machen, zu spät gekommen zu sein. Ich hätte den Mann nicht mehr retten können, doch ich hatte ständig das Gefühl, etwas übersehen zu haben, genauso wie die Kommissare in den Krimis, die ich gerne las – die hatten zuweilen auch so ein Gefühl, und manchmal wusste ich als Leserin sogar, was sie übersehen hatten. Diesmal jedoch hatte ich keine Ahnung. Bis Donnerstagmorgen, acht Uhr, auf dem Weg zu Fit in den Tag , als ich hinter einem Geländewagen stand, wie sie im Münchner Stadtverkehr unverzichtbar zu sein scheinen. Meinen Ausflug ins Gebüsch hatte ich beim Kommissar bewusst unterschlagen. Den Geländewagen aber, den hatte ich vergessen. Am Nockherberg fuhr ich rechts raus, zückte mein Handy und fingerte die Visitenkarte des Kommissars aus meinem Portemonnaie. Nicht Tixl. Sondern Tixel.
    »Bauer«, meldete sich eine sympathische Männerstimme. Ein Blick auf das Display zeigte mir, dass ich keine fünf, sondern eine acht als letzte Ziffer getippt hatte.

    »Ja, guten Morgen, hier Franza Fischer, ist der Kommissar da?«
    »Welcher?«
    Ich überlegte angestrengt nach dem genauen Titel. »Kriminalhauptkommissar, glaube ich.«
    »Da hamma mehrere.«
    »Kriminalhauptoberkommissar?«
    »Gibt’s nicht.«
    »Hm.«
    »Wenn Sie mir den Namen des Kollegen sagen würden.«
    »Tixel.«
    »Ach, der Herr Tixel. Um was geht’s denn?«
    »Mir ist noch was eingefallen. Wegen dem Toten beim Hochsitz. Als ich die Polizei gerufen habe, ist eine Staubwolke vorbeigefahren.«
    »Eine Staubwolke?«
    »Mit einem Auto vorne dran. Ein Geländewagen. Dunkelgrün oder grau.«
    »Und Ihr Name bitte?«
    »Franza Fischer?«
    »Und was ham Sie mit dem Fall zu tun?«
    »Ich bin die Finder…, die Auffinderin des Toten.«
    »Ach, die mit dem Hund.«
    »Ja, Flipper. Also eigentlich hat der Hund ihn gefunden … könnte ich jetzt mit dem Kommi… mit dem Herrn Tixel sprechen? «
    »Der ist unterwegs.«
    »Und wie kommen Sie so voran?«
    »Wie bitte?«
    »Ob Sie schon was wissen.«

    Schweigen.
    »Richten Sie ihm das aus?«, fragte ich gespielt munter.
    »Ja. Sie haben eine Staubwolke gesehen, in der ein grüner oder grauer Geländewagen gefahren ist.«
    »Ein dunkelgrüner oder grauer.«
    »Ich wiederhole: dunkelgrün.«
    »Genau. Aber vor der Staubwolke, nicht drinnen.«
    »Kein Nummernschild?«
    »Nein, ich war ja ewig weit weg. Ich stand ja oben auf dem Hochsitz.«
    »Gut, Frau Fischer. Ich leite es weiter«, versprach der Beamte. Seine Stimme klang für mein Dafürhalten entschieden zu heiter.
     
    »Du bist heute irgendwie komisch«, stellte meine Kollegin Lydia am Handy fest, mit der ich für Donnerstagmittag, Tag zwei danach , nannte ich ihn innerlich, an der Bar im Fit in the City verabredet war. Ich hätte es vergessen, wenn sie nicht angerufen und mich gebeten hätte, eine halbe Stunde später zu kommen. Ich konnte mir schon denken, warum. Lydia war unsterblich verliebt. Ihr aktueller Freund arbeitete als Bühnentechniker an der Oper und hatte Schichtdienst. Da musste man jede Minute nutzen, auch wenn dafür der Unterricht ausfiel. Wenn Lydia so weitermachte, würde sie bald pleite sein. Wieder mal ein abschreckendes Beispiel für mich, das ich genüsslich beobachtete. Zum Happy End würde sie heiraten und Pilates gegen Pfannkuchen tauschen.
     
    »Geht’s euch gut?«, fragte Lukas von der Saftbar, als er einen Eiweißshake vor mir auf den Tresen stellte. Mit euch meinte
er Flipper, die meisten Leute benutzen nur aus Höflichkeit den Plural, sie könnten genauso gut fragen: Wie geht es ihm?, das

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