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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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dann hat er damit vielleicht auch den Täter gefunden, denn es gibt eventuell Fingerabdrücke, DNA-Material, was weiß ich. Sollte der Täter hier aus der Gegend stammen, bist du, seid ihr vielleicht in Gefahr! Du bist viel zu nah dran an dieser Geschichte. Ich mache mir Sorgen um dich! Du willst in eine Wohnung einziehen, in die eingebrochen wurde, du suchst nach einer Tatwaffe …«
    »Ich habe nichts gesucht …«
    »Franza, hör auf, in dieser Geschichte herumzustochern! Das geht dich nichts an! Das ist keine Schnitzeljagd! Ein Mensch wurde ermordet!«
    Auf einmal war es wirklich wie vor einer Woche. Ich sah zuerst die Hand. Drei, nein zweieinhalb Finger ragten grünlich aus dem Gestrüpp. Dann sah ich die Reste der linken Wange, weißlich grinste mich ein Knochen an und emsig liefen große schwarze Käfer und kleine fleißige Ameisen über die gelben und bräunlichen Felder aus Fett und Muskulatur. Der Geschmack von Butterbreze schwappte in meinem Mund. Ich würgte.

    »Franza?«
    Ich presste meine Hand auf die Brust. »Schnell weg«, stammelte ich. »Ich brauch ein Netz.« Ein ekelhaft säuerliches Aroma breitete sich in meiner Kehle aus. Ich rannte los. Drehte mich nicht um und hörte sie trotzdem schaben, die Millionen Beine der Ameisen, die mich unerbittlich verfolgten. Von oben griff mich die Luftwaffe an. Fixierte mich mit ihren Facettenaugen und speichelte mich dann schon mal ein.

11
    Andrea war noch keine fünfzehn Minuten weg, da bog der dunkle 5er BMW auf den Waldweg ein. Sie hatte mir angeboten, bei mir zu bleiben, bis der Kommissar auftauchte, doch ich hatte sie weggeschickt zu ihren Patienten, die sie dringender brauchten.
    Er kam allein. Obwohl er am Telefon wir gesagt hatte. »Bleiben Sie, wo Sie sind, Frau Fischer, wir kommen gleich. In dreißig Minuten etwa sind wir da, ich glaube, ich weiß, wo Ihr Wagen parkt, ein blauer Volvo?«
    Er trug eine rehbraune Cargohose, braune Nikes und ein weinrotes Rippenshirt, eng anliegend, so eng, dass sein v-förmiger Oberkörper viel zu deutlich sichtbar wurde. Aus dem Kofferraum holte er einen schwarzen Rucksack, den er locker über die rechte Schulter warf. Er war unrasiert und sah müde aus. Unter seinen Augen schimmerten wie hingehaucht violette Schatten. Es war lang, sehr lang her, dass mir ein Mann so gut gefallen hatte wie dieser – und ich sehe Tag für Tag herkömmlich attraktive X-Ypsilons in den Studios. Dieser hier kam nicht von der Stange, war nicht schön und glatt; er war atemberaubend männlich. Ich stellte das ganz allgemein fest und es freute mich, dass mir auch mal einer gefallen konnte, es lag also nicht an einer meinerseitigen Verschrobenheit.

    »Hallo«, begrüßte er mich und reichte mir die Hand. Warm und fest. Felix Tixel. Doppel X. Ein halber Mond ging auf. Flipper wedelte an der Grenze zwischen Höflichkeit und Missvergnügen.
    »Hallo Flipper«, begrüßte er ihn und klopfte auf seine Flanke.
    »Wo ist denn Ihre Kollegin?«, fragte ich, obwohl mich das überhaupt nicht interessierte, aber man musste ja irgendwas sagen.
    Der Kommissar kraulte Flippers Hals, der immer länger wurde. Gleich würde er zu schnurren beginnen. Verräter , dachte ich.
    »Wir sind seit vierundzwanzig Stunden im Dienst. Wir wollten gerade Schluss machen, als Sie anriefen. Ich habe sie nach Hause geschickt. Fehlt sie Ihnen?«
    »Ich bin untröstlich.«
    Er grinste.
    »Sie sehen müde aus«, rutschte mir heraus.
    »Ich bin müde«, sagte er.
    »Meinetwegen hätten Sie nicht kommen brauchen«, sagte ich.
    »Doch«, sagte er.
    Wir standen zwischen seinem BMW und meinem Volvo. Laut zwitscherten die Vögel. Blau leuchtete der Himmel. Grün schimmerte die Umgebung. Ich hätte ihm gern gesagt, wie leid es mir tat, dass er so müde war und dass ich ihm sein Bett von Herzen gönnte, dass ich tun wollte, was in meiner Macht stand, damit er ganz schnell dort hineinschlüpfen konnte, und ich würde auch seinen Schlaf bewachen, wenn er sich kurz ins Gras legen wollte. Ich hätte ihm auch gern
gesagt, dass er trotz der violetten Schatten umwerfend aussah. Dass seine Hüften unglaublich keck schwangen, und ich hoffte, er würde vor mir her gehen, damit ich seinen Po sehen konnte, viele Menschen leiden an einer Beckenfehlstellung und wissen das gar nicht.
    »Von mir aus hätten Sie auch jemand anders schicken können«, sagte ich.
     
    Vom Parkplatz aus gingen wir über den kleinen Pfad in den Wald hinein, der mir nun schon so vertraut war. Er schlängelte sich nach

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