Alle Vögel fliegen hoch
rechts, dann nach links und würde uns zu der Senke führen, an der mich hoffentlich irgendeine Intuition überkommen würde.
»Und Sie glauben also, Flipper hat die Tatwaffe gefunden? «, fragte der Kommissar.
»Ja. Das heißt, vielleicht. Flipper hat vor ein paar Tagen einen Stock apportiert, an dem etwas klebte. Vielleicht Blut«, sagte ich und plötzlich überfiel mich der Gedanke, es könnte auch Harz gewesen sein. Oder Balzsekret von Rehen oder Wildschweinen, falls es so was gab. »Vielleicht war es aber auch etwas anderes«, schob ich nach.
»Vor ein paar Tagen?«
»Ja.«
»Wann genau?«
»Am Freitag, glaube ich.«
»Und warum erfahre ich das erst heute?«, wollte der Kommissar wissen und klang gar nicht mehr entspannt wie eben noch, als wir zwei friedliche Spaziergänger hätten sein können. Er hatte umgeschaltet. Er war jetzt ausschließlich im Dienst, und das konnte ich auch körperlich spüren.
Alles charmant Gemütlich-Plaudernde war von ihm abgefallen wie die nachlässige Müdigkeit, er beschleunigte seine Schritte sogar.
»Weil ich Sie nicht stören wollte.«
»Das ist doch Unsinn«, fuhr er mich an. »Wir sind auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen.«
Deutlicher hätte er mich nicht auf meinen Platz verweisen können. Franza Fischer. Auffinderin, Bevölkerung, Hinweisgeberin.
»Ja, und was war mit dem Geländewagen?«, verteidigte ich mich.
»Ihre ominöse Staubwolke?«
»Die habe ich gleich gemeldet!«
»Der Kollege hat es an uns weitergeleitet. Der Wagen gehört dem Pächter der Jagd. Wir haben bereits mit ihm gesprochen. Er ist auch Eigentümer des Hochsitzes.«
»Er scheint selten zu jagen – warum hat er den Hochsitz nicht vorne an den Waldrand gestellt?«
»Das ist schon wieder ein anderes Revier.«
»Und warum erfahre ich das alles erst jetzt?«
»Wie bitte?«, entgeistert starrte mich der Kommissar an.
»Immerhin habe ich eine vielleicht wichtige Information an Sie weitergeben lassen – es ist doch völlig logisch, dass man da mal wissen möchte, was daraus geworden ist.«
Verärgert schüttelte der Kommissar den Kopf. »Wissen Sie, wie vielen Hinweisen wir nachgehen? Wissen Sie, wie viele Fälle wir bearbeiten? Wissen Sie …«
»Ja, ja. Sie sind total überlastet, so wie alle Beamten, das ist mir schon klar«, grantelte ich zurück.
»Und Sie erwarten dennoch, dass wir unseren Hinweisgebern,
Zeugen oder Informanten gegenüber Rechenschaft ablegen?«
»Es sind inoffizielle Mitarbeiter«, warf ich ein. »So eine Art unbezahlte Praktikanten.«
»Nein, eben nicht! Und genau das ist das Problem, Frau Fischer. All diese Leute, die ständig Polizei spielen wollen und auf eigene Faust herumschnüffeln und dabei Spuren vernichten und uns auf falsche Ideen bringen, um selbst gut dazustehen, nein, Frau Fischer, die helfen uns überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Es wäre uns lieber, es würde sie überhaupt nicht geben, dann könnten wir uns auf unsere Arbeit konzentrieren.«
Das war deutlich.
Er meint es nicht so , sagte eine Stimme in mir. Er meint nicht mich. Er ist total übermüdet .
Und eine andere Stimme war sehr einverstanden damit, dass er es genau so meinte. Ein Mann eben. Noch dazu Polizist. Was wollte ich da erwarten?
Der Kommissar legte seine Hand auf meinen Unterarm. Flipper beobachtete ihn aufmerksam. »Verzeihung«, sagte er. »So habe ich das nicht gemeint. Ich bin Ihnen wirklich dankbar für Ihre Unterstützung, denn sollten Sie die Tatwaffe gefunden haben, würde uns das einen großen Schritt weiterbringen. Allerdings hätten Sie mir das bereits am Sonntag sagen können. Heute ist Dienstag!«
»Woher soll ich denn wissen, dass es eine Tatwaffe gewesen sein könnte, wenn ich nicht mal wusste, dass es eine solche gegeben hat!«
»Und das wissen Sie jetzt?«
»Ja.«
»Woher?«, fragte er.
Mir wurde heiß. Diese Lügerei musste aufhören. Dafür war ich einfach nicht fit genug. Ich konnte einen Spagat und kam in allen möglichen und unmöglichen Stellungen mit den Händen auf den Boden, aber eben nur körperlich, nicht geistig; die Geschmeidigkeit einer Lügnerin fehlte mir, seitdem ich dieses Stretching vernachlässigte. Ja, woher wusste ich es? Hatte es in der Zeitung gestanden? Hatte er selbst es mir vielleicht erzählt oder Moppelchen? Oder musste ich zugeben, dass ich es von Martina Hase-Berg wusste, nein, das würde ich ihm bestimmt nicht auf die Nase binden.
»Sonst wären Sie ja wohl nicht so schnell gekommen«, schlüpfte ich durch die
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