Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
des neuen Papstes Julius II. eine Totenmesse für die Opfer zelebriert wurde. Über das Schicksal des Priesters Giovanni Andrea schweigt Burckard sich aus, aber auch er dürfte nicht mit dem Leben davongekommen sein. An Burckards Bericht ist nicht zu zweifeln, denn als Bischof von Orte und Civita Castellana muss er über die in seiner Diözese vorgefallenen Ereignisse unterrichtet worden sein, so wie auch der Priester Giovanni Andrea sicher zum Klerus seines Bistums gehörte. Kein Zweifel auch, dass es sich um einen Ehrenmord handelte, bei dem nach alter, auch in der Jurisprudenz verankerter Tradition die Mörder straflos ausgingen. Giovanni Battista Dell’Anguillara war in der Tat noch 1509 am Leben. Die Bluttat lässt sich aber schwer erklären, ohne an den Ehebruch und den durch diesen begründeten schlechten Ruf Giulia Farneses zu denken. Ihre Liebschaft mit dem Borgia-Papst war Thema des Klatsches in der römischen Gesellschaft gewesen und auch über die Grenzen der ewigen Stadt hinaus bekannt. So konnte es nicht ausbleiben, dass dieser Ruf auch auf ihre ältere Schwester abfärbte, eine Verschiebung, die sich dann auch bei Rabelais findet. Der Verdacht des Ehebruchs, der deshalb auf Girolama fiel, kostete sie das Leben. Dass sie tatsächlich die Ehe brach, bleibt zweifelhaft, denn der von Renzo Dell’Anguillara geführte «Prozess» hat ganz den Anschein einer Machenschaft, die Vater und Sohn vor Strafe bewahren sollte.
Warum aber unternahm Girolamas Bruder, Alessandro Farnese, nichts gegen die Mörder seiner Schwester. Er war zur Zeit des Mordes päpstlicher Legat in der Mark Ancona, befand sich also nicht in Rom. Aber er hätte sehr wohl zurückeilen können, um vom regierenden Papst, der sogar dem Requiem im Vatikan beigewohnt hatte, Gerechtigkeit zu verlangen. Alessandro Farnese war jedoch von Alexander VI. 1493 zum Kardinal ernannt worden und galt 1504 immer noch als einer der treuesten Anhänger des verstorbenen Papstes, welcher der Todfeind Giuliano Della Roveres, des jetzigen Papstes Julius II., gewesen war. Dessen Gunst hatte Farnese noch nicht gewinnen können. Dies gelang ihm erst ein Jahr später, als im November 1505 seine Nichte Laura Orsini, die Tochter Giulias, Nicola Della Rovere, einen Neffen Julius’ II., heiratete. Alessandro Farnese hielt es also für angebracht zu schweigen. Dies legten ihm auch seine Beziehungen zur mächtigen Sippe der Orsini nahe, mit denen die Farnese vielfach verschwägert waren. Kardinal Alessandro mischte sich jedenfalls nicht ein, und auch deshalb entgingen die Mörder der armen Girolama ihrer gerechten Strafe.
Rabelais erzählte dem Bischof Estissac noch anderes von der Familie Farnese: dass Paul III., als er noch Kardinal war, eine Konkubine gehabt habe, die aus der römischen Familie Ruffini stammte, und dass aus dieser Verbindung auch eine Tochter hervorgegangen sei, die den Grafen Bosio Sforza di Santafiora geheiratet hatte und am 30. August 1535 gestorben war. Die Konkubine hieß, so wissen wir, Silvia Ruffini, die Tochter war die von Paul III. heißgeliebte Costanza Farnese. Deren Sohn, Guido Ascanio Sforza di Santafiora, erhob der Großvater am 18. Dezember 1534, sofort nach seiner Wahl zum Papst, zum Kardinal und mit ihm zusammen auch seinen anderen Enkel Alessandro Farnese, den Sohn seines Sohnes Pierluigi und dessen Gemahlin Girolama Orsini. Rabelais nannte den jungen Alessandro «le petit cardinacule Farnese», denn er war bei seiner Erhebung erst vierzehn Jahre alt. Dennoch wurde er schon am 13. August 1535 von seinem Großvater zum Vizekanzler der Kirche ernannt, nachdem das Amt drei Tage zuvor durch den Tod von Ippolito de’ Medici frei geworden war, der es seinerseits von seinem Onkel, Papst Clemens VII., erhalten hatte. Wie Rabelais schrieb, war das Verhältnis zwischen Pierluigi Farnese und Renzo da Ceri wegen dessen Sohnes Giampaolo Dell’Anguillara sehr schlecht. Dafür gibt es aber keinen anderen Beleg, im Gegenteil, denn wie Rabelais selbst schreibt, gingen die beiden oft zusammen auf die Jagd, und während einer solchen, so teilte er d’Estissac mit, starb Renzo da Ceri am 12. Februar 1536, drei Tage vor Abfassung des Briefs. Rabelais beklagte den Tod dieses tüchtigen Condottiere, der zwanzig Jahre lang in Diensten König Franz’ I. von Frankreich gestanden hatte, während sein ebenfalls in französischen Diensten stehender Sohn Giampaolo, wie er meinte, nicht über die gleiche große Erfahrung verfüge. In
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