Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
ungeheuer viel ist. Die Autorin führt diese massive Präsenz vor allem auf die ungewöhnlich hohe Zahl von Klerikern im Umkreis der römischen Kurie zurück, die im Zölibat lebten.
Zur Verwicklung der Geistlichkeit in solche Liebeshändel kann man bei Delicado sehr spaßige und zugleich eindringliche Beschreibungen lesen. Geistliche jeden Ranges verkehren im Roman mit den Kurtisanen. Da ist die erheiternde Geschichte eines Kanonikus, der mit einer Kurtisane zusammenlebt und sie schwängert. Sein Genital erleidet jedoch bei diesen Zusammenkünften Schaden, weswegen er sich in die Behandlung von Lozana begibt. Neben dem Kanoniker treten im Roman zwei Bischöfe, ein Prälat, ein Monsignore und ein Mönch auf, alle in komplizierte Beziehungen mit Kurtisanen verschiedenen Rangs verwickelt. Als Pfarrer von Santa Maria in Posterula stand Delicado in engem Kontakt zum Milieu der Kurtisanen, von denen viele im Rione Ponte, im Umkreis seiner Kirche, wohnten. Delicado will keine von ihnen kenntlich machen, aber er lebte mitten unter diesen Frauen und kannte ihre ausgefallene Lebensweise und die vielen Widrigkeiten, die ihnen das Leben schwer machten, es war sein Milieu, seine Welt. Er verkehrte selbst mit Prostituierten, hatte er sich doch die Syphilis geholt, die ihn zu jahrelangem Aufenthalt im Hospital San Giacomo degli Incurabili zwang. Aus dieser persönlichen Erfahrung heraus ist die Syphilis neben den Kurtisanen auch eines der Hauptthemen des Romans. Delicado beschreibt dieses ganze Universum ohne den geringsten Anflug von Moralismus und folgt als wahrer Meister der spanischen Sprache nur dem magischen Fluss der Erzählung. Man lese nur die Beschreibung des farbigen Gedränges von Menschen aller Art und jeden Geschäfts auf dem Campo dei Fiori.
Abb. 2: Der Laden Lozanas, aus: Retrato de la Loçana Andaluza, Venedig
Die venezianische Ausgabe von Delicados Roman, die einzige erhaltene, enthält drei Holzschnitte, von denen eine den Laden Lozanas zeigt (Abb. 2). In der Mitte sitzt sie selbst auf einem Stuhl, während sie mit einer Pinzette die Au genbrauen der Kurtisane Clarina, die vor ihr mit einem Spiegel in der Hand kniet, auszupft. Zwei weitere Kurtisanen, Aquileia und Oriana, warten darauf, an die Reihe zu kommen, eine dritte liest in einem aufgeschlagenen Buch, wahrscheinlich laut, um die anderen zu unterhalten. Im Hintergrund ist ein Bett zu sehen, in dem ein Paar liegt und auf dessen Vorhang der Name Divica geschrieben steht. Im Vordergrund tritt Rampin, Lozanas erster römischer Geliebter, auf, der später ihr Gehilfe wird. Wir sehen ihn links, wie er in einem Mörser die Ingredienzien für ein Schönheitsmittel zerstößt, rechts, wie er den Kamin mit einem Blasebalg zum Brennen bringt. An einem Balken hängen weitere Werkzeuge, auf der Fensterbank daneben stehen Gefäße. Auch ein Käfig mit einem Vögelchen und ein Hündchen fehlen nicht. Wir sehen Lozanas Wirkungsstätte mit allen ihren Einzelheiten.
Zum Ende sei noch erwähnt, dass sich die Lage der Juden in Rom mit dem Beginn der Gegenreformation radikal änderte, und zwar durch die Initiative eines anderen Spaniers, des Gründers des Jesuitenordens, Ignatius von Loyola. Auf sein Betreiben hin erließ Papst Paul III. am 21. März 1542, zwei Monate nach der Gründung der römischen Inquisition, die Bulle Cupientes Judeos und am 15. Februar 1543 die Bulle Illius qui pro Dominici gregis , mit denen die Rückkehr der getauften Juden zu ihrem alten Glauben verhindert werden sollte. Zu diesem Zweck verboten die beiden Bullen den getauften Juden jeden Kontakt mit den ungetauften und folglich auch die Ehe mit ihnen. Den Konvertierten wurde außerdem auferlegt, mindestens vierzig Tage lang ein eigens dafür eingerichtetes Katechumenhaus zu besuchen, dem ein Kardinal vorstand, um ihre Kenntnis des katholischen Glaubens zu vertiefen. Die schönen Zeiten unter den Päpsten Julius II. bis hin zu Clemens VII. waren endgültig vorbei, und von der Freiheit, die man damals den Juden in Rom gewährt hatte, war von da an nicht mehr die Rede.
3.
François Rabelais und die Farnese
Der berühmte Autor des satyrischen Romans «Gargantua und Pantagruel» ist dreimal in Rom gewesen, zum ersten Mal für kurze Zeit vom Februar bis zum 1. April 1534 im Gefolge des Bischofs von Paris, Jean Du Bellay. Während dieses ersten Aufenthalts konnte er nur einen flüchtigen Blick auf die Stadt und die antiken Ruinen werfen, aber sein großer Wunsch, Rom (er nannte es nach
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