Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
weisen, tüchtigen und toleranten Geistlichen gefunden zu haben, und erwartete, dass seine Eigenschaften ihm bald die Ernennung zum Kardinal einbringen würden. Dies geschah aber nicht, immerhin wurde Fabri zum Generalvikar des Dominikanerordens ernannt. Montaigne hütete sich freilich, die kritisierten Stellen zu korrigieren und ließ sie auch in den folgenden Ausgaben seiner Essais stehen. In der vierten, endgültigen Ausgabe von 1588 fügte er sogar noch einen Satz hinzu, um dies zu rechtfertigen; er pochte auf die Unabhängigkeit seines Urteils, ohne dabei den Glauben an die Kirche in Frage zu stellen. Montaigne war nicht gewillt, das humanistische Erbe aufzugeben, wie besonders das Beharren auf dem Wort Schicksal beweist, oder die Namen der protestantischen Dichter zu verschweigen, die auf dem Index der verbotenen Bücher standen. Dass fast hundert Jahre nach seinem Besuch in Rom 1676 auch die Essais auf den Index kamen, hätte ihr Autor schwerlich für möglich gehalten.
In Rom ließ sich Montaigne auch von Papst Gregor XIII. in Audienz empfangen und beschaffte sich ein schönes Diplom, mit dem ihm das römische Bürgerrecht verliehen wurde. Von all den Spektakeln, welche die ewige Stadt bot, zog eines sein besonderes Interesse auf sich. Es handelte sich um eine Hinrichtung, die am 11. Februar 1581 stattfand. Sein Sekretär beschreibt sie sehr detailliert in dem von ihm geführten Teil des Tagebuchs: «Der Herr von Montaigne machte Halt, um sich das Schauspiel anzusehen. Über den französischen Gebrauch hinaus wird vor dem Verbrecher noch ein großes schwarzverhangenes Kruzifix hergetragen, und es folgt zu Fuß eine große Zahl in Leinwand gekleideter und maskierter Leute; es sollen Edelleute und sonstige angesehene Römer sein, die eine Bruderschaft bilden und sich dem Dienste weihen, den Verbrechern zur Richtstätte und den Leichen von Verstorbenen das Geleit zu geben. Zwei von ihnen oder auch Mönche, die gerade so gekleidet und maskiert sind, sitzen neben dem Verbrecher im Wagen und predigen ihm, und der eine hält ihm fortwährend ein Bild unseres Herrn und Heilandes vors Gesicht, damit er es küsse: dabei kann man das Gesicht des Übeltäters auch nicht auf der Straße sehen. Am Galgen, der aus Balken zwischen zwei Pfosten besteht, hielt man ihm das Bild so lange vor die Augen, bis er frei in der Luft hing. Sein Tod bot nichts Ungewöhnliches; er blieb regungslos und sprach kein Wort. Es war ein dunkler Mann von etwa dreißig Jahren. Nachdem er gehenkt war, wurde er in vier Stücke geschnitten. Sie lassen die Menschen kaum anders als eines einfachen Todes sterben und lassen ihre Härte erst am Leichnam aus. Der Herr von Montaigne fand hier wieder eine Bemerkung bestätigt, die er schon anderswo ausgesprochen hat: wie sehr sich das Volk über die Strenge erschreckt, die an den toten Körpern geübt wird. Das Volk, das ganz ruhig angesehen hatte, wie dieser Verbrecher erdrosselt wurde, schrie bei jedem Hieb der Zerstückelung mitleidig auf. Sofort nach dem Tod traten ein oder mehrere Jesuiten oder andere Geistliche auf irgendeine Erhöhung und begannen, der eine hier, der andere da, laut schreiend zum Volk zu predigen, um ihm das Beispiel zu Gemüt zu führen.»
Das schreckliche Spektakel dieser Hinrichtung taucht in einem 1582 in die zweite Auflage der Essais eingefügten Passus noch einmal auf. Hier erinnert sich Montaigne daran, wie sich das Publikum, das massenhaft herbeigeströmt war, bis zur Exekution des Räubers Catena mäuschenstill verhielt. Erst als der Henker dazu schritt, den Leichnam zu vierteilen, begleitete das Volk mit einem schmerzlichen Schrei einen jeden Hieb, gleichsam als ob sich die Zuschauer mit dem Opfer identifizierten.
Unter dem Namen Catena – in Wirklichkeit hieß er Bartolomeo Vallante – hatte sich zehn Jahre lang ein Schäfer verborgen. Er stammte aus dem Ort Monte San Giovanni Campano in der heutigen Provinz Frosinone und war untergetaucht, nachdem er die Ermordung eines Bruders mit einem weiteren Mord gerächt hatte. Er fand sogleich Spießgesellen in seinem Heimatdorf und bildete mit ihnen eine Räuberbande, die jahrelang im südlichen Latium, in der Sabina, in Umbrien und in der toskanischen Maremma, dann erneut im Süden nach Kampanien und den Abruzzen hin ihr Unwesen trieb. Das Hauptgeschäft der Bande war die Geiselnahme, die ihr dicke Lösegelder einbrachte, aber sie führte auch Morde im Auftrag anderer aus und beraubte und erpresste nicht nur reiche Leute,
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