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Alle Wege führen nach Rom

Alle Wege führen nach Rom

Titel: Alle Wege führen nach Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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Faulenzer dort drüben
in der Sonne und für die summende Frau, für die Wuschelköpfe und die
schlitzäugigen Kleriker mit den roten Schärpen; und sie betete, alle möchten
doch in der Kirche den lebendigen Brunnen unter Gottes offenem Himmel erkennen
und nicht die tote Pracht aus entschwundener Zeit.
     
    *  *  *
     
    Zu schnell war die Stunde am Petersplatz
vergangen. Als Monsignore Schwiefele die Schwester an den Kolonnaden wieder
entdeckte, schalt er sie ernstlich; niemand dürfe auf eigene Faust handeln in
Rom, er wolle keine Zeit verlieren mit der Suche nach verlorenen Schäflein; es
gelte, das Programm gewissenhaft einzuhalten. Kaplan Schlüter unterstrich das
mit der Bemerkung, man müsse den Italienern zeigen, was deutsche Pünktlichkeit
sei. Inzwischen zeigten allerdings die Italiener den Deutschen, was
Gelassenheit ist: die Chauffeure hockten noch in der nächsten Espressobar und
füllten in Seelenruhe die Totozettel aus.
    Endlich war man startbereit. Das geplante Programm
rollte reibungslos ab. Hierauf ging’s auf den Janiculus. Alles raus aus den
Bussen und Panorama genießen! Wieder hinein in die Busse. An der Fontana Paola
vorbei brauste man nach Trastevere hinunter. »In diesem Gassengewirr möchte ich
mich nicht verlaufen«, sagte Annaberta zur Schulrätin, die neben ihr saß. »Das
wäre auch nicht ratsam. Dieses Trastevere war schon im Altertum ein verrufenes
Viertel. Die Leute hatten hier immer einen eigenen Moralkodex, ja sogar einen
eigenen Dialekt!« Was für sie, die fanatische Sprachreinigungsfrau, sicher ein
Kapitalvergehen war. Ehe Annaberta herausgeknobelt hatte, was wohl ein
Moralkodex sei, wurde wieder »Alles aussteigen!« kommandiert. Santa Maria in
Trastevere! Geblendet vom hellen Tageslicht vermochten die Augen in der
finsteren Kirche nur wenig von den schönen Mosaiken zu entdecken. Fünf Minuten
später: hinein in die Busse. Santa Cecilia! Heraus aus den Bussen. Birnmoser
gab eine knappe Erklärung der Kirche, die gemischte Pfarrjugend stimmte einen
Kanon an, zu Ehren der Patronin der Kirchenmusik. Schwester Annaberta betete
drei Ave für ihre Mitschwester Cäcilia, wie sie es versprochen hatte. Und
wieder hinein in die Busse, über den Tiber hinweg — »Meine Herren, hier pflegte
sich die Weltgeschichte die Füße zu waschen!« — an Santa Maria in Cosmedin und
dem Mund der Wahrheit vorbei. Links ragen die Ruinen des Palatin — »Die
brauchen aber lang zum Wiederaufbau!« — rechts das öde Gelände, der Zirkus
Maximus. Durch die prächtige Passeggiata Archeologica geht es zur Stadtmauer
des Kaisers Aurelian. Birnmoser deutete auf ein kleines Kirchlein, San Giovanni
in Olio, wo der Lieblingsjünger Jesu aus einem Kessel siedenden Öles unversehrt
geblieben war. Annaberta warf einen furchtsamen Blick nach der aufgeklärten
Eva. Doch diese behielt diesmal ihr Wissen für sich. Und dann begann die Via
Appia! Das soll eine Reichsstraße gewesen sein, diese schmale Gasse,
eingeschnürt von alten Mauern? Die männliche Jugend war enttäuscht, sie hatte mit
einer Art antiker Autobahn gerechnet.
    »Katakomben, alles aussteigen!« befahl der
Monsignore. Es war gut, daß man das letzte Stückchen Weg zu Fuß pilgern mußte.
Schwester Annaberta hatte insgeheim befürchtet, die Motorisierung hätte auch
die unterirdischen Gräberstädte schon erfaßt. Ihr gefiel es sehr, daß über den
Katakomben schöne Gärten angelegt waren. Das entsprach so recht ihrer Meinung
vom Tode.
    Birnmoser kaufte nun für jeden Pilger ein kleines
Wachsstöckchen, mietete einen Guida, der deutsch sprach, und tauchte dann mit
dem Kaplan als Vorhut in den Schoß der Erde hinab. Daß die Schulrätin nicht
einmal jetzt ihr Besserwissen für sich behalten konnte! Unglücklicherweise ging
sie unmittelbar vor oder hinter Annaberta und hielt es für ihre Pflicht, sie über
die Aussprachefehler des Führers und über historische Unrichtigkeiten seiner
Rede aufzuklären. Anfangs rang die Schwester vergebens nach frommen Anmutungen,
und nur langsam vermochte die Nähe so vieler Heiligengräber den Ärger auf die
Schulrätin zu lindem. Fast eine Stunde lang zogen die Pilger durch die dunklen
Gänge. So ausgedehnt hatte sich niemand die Katakomben vorgestellt. Als sie nun
hörten, daß diese unterirdische Stadt fünf Stockwerke tief in die Erde
hineinreiche und nicht nur hier an der Via Appia, sondern an allen
Ausfallstraßen sich Katakomben befänden, da erst wurde ihnen klar, was es
bedeutet, wenn die Kirche im

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