Alle Weihnachtserzählungen
Doktor. „Es half alles nichts, du mußtest Alfreds Frau genannt werden. So nannten wir dich Alfreds Frau, und ich glaube, das gefiel dir besser (so komisch es jetzt scheint), als wenn man dich Herzogin genannt hätte, wenn wir dich zu einer hätten machen können.“
„Wirklich?“ fragte Grace seelenruhig.
„Na, erinnerst du dich nicht?“ fragte der Doktor.
„Ich glaube, ein wenig erinnere ich mich noch, aber nicht sehr“, erwiderte sie. „Es ist so lange her.“ Und während sie bei der Arbeit saß, summte sie den Refrain eines alten Liedes, das der Doktor liebte.
„Alfred wird bald eine aufrichtige Ehefrau finden“, sagte sie, das Lied abbrechend, „und das wird für uns alle eine glückliche Zeit werden. Meine dreijährige Aufsicht ist fast zu Ende, Marion. Sie war sehr leicht zu erfüllen. Ich werde Alfred erzählen, wenn ich dich ihm zurückgebe, daß du ihn die ganze Zeit über von Herzen geliebt hast und er nicht ein einziges Mal meine Dienste nötig hatte. Soll ich ihm das sagen, Liebes?“
„Sag ihm, liebe Grace“, antwortete Marion, „daß keine Aufsicht je großzügiger, edler und beständiger geführt wurde und daß ich dich die ganze Zeit über und von Tag zu Tag mehr geliebt habe und dich jetzt, oh, wie innig liebe!“
„Nein“, sagte ihre fröhliche Schwester, die sie ebenfalls umarmte, „das kann ich ihm kaum sagen. Wir werden meine Verdienste Alfreds Vorstellungskraft überlassen. Sie wird groß genug sein, liebe Marion, genau wie deine.“
Damit nahm sie die Arbeit, die sie für einen Moment hingelegt hatte, als ihre Schwester so leidenschaftlich sprach, wieder auf und gleichzeitig das alte Lied, das der Doktor gern hörte. Und der Doktor, noch in seinem Sessel und die in Pantoffeln steckenden Füße vor sich auf dem Teppich ausgestreckt, lauschte der Melodie, schlug mit Alfreds Brief den Takt auf seinen Knien, betrachtete seine Töchter und fand, daß unter den vielen Lappalien dieser oberflächlichen Welt diese Lappalien noch annehmbar waren.
In der Zwischenzeit verschwand Clemency Newcome, nachdem sie ihre Mission erfüllt und sich im Zimmer herumgedrückt hatte, bis sie die Neuigkeit erfahren hatte, in der Küche, wo ihr Mitarbeiter, Mr. Britain, es sich nach dem Abendessen bequem machte, von solch einer reichhaltigen Sammlung glänzender Topfdeckel, blank geputzter Kochtöpfe, polierter Warmhalteschüsseln, funkelnder Kessel und anderer Zeichen ihrer gewohnheitsmäßigen Betriebsamkeit umgeben, die an den Wänden und in den Regalen aufgebaut waren, daß er wie in der Mitte eines Spiegelsaales saß. Die meisten zeigten keine sehr schmeichelhaften Porträts von ihm, auch waren die Spiegelbilder keineswegs einheitlich, da ihm die einen ein langes, die anderen ein breites Gesicht verliehen; einige ihn ziemlich gutaussehend, andere ihn ungeheuer häßlich machten, je nach den unterschiedlichen Arten ihrer Widerspiegelung, die angesichts einer Sache so verschieden waren wie die Typen der Menschen. Doch sie alle stimmten darin überein, daß in der Mitte ganz gemütlich ein einzelner Mensch saß, mit einer Pfeife im Mund und einem Krug Bier zur Seite, der Clemency leutselig zunickte, als sie an demselben Tisch ihren Platz einnahm.
„Na, Clemmy“, sagte Britain, „wie ist es dir unterdessen ergangen, und was gibt’s Neues?“
Clemency berichtete ihm die Neuigkeit, die er sehr gnädig aufnahm. Eine glückliche Verwandlung war bei Britain von Kopf bis Fuß vor sich gegangen. Er wirkte in jeder Hinsicht viel breiter, geröteter, heiterer und fröhlicher. Es schien, als ob sein Gesicht zuvor zu einem Knoten zusammengebunden und nun gelöst und geglättet worden war.
„Das gibt einen neuen Auftrag für Snitchey und Craggs, nehme ich an“, bemerkte er und paffte bedächtig an seiner Pfeife. „Vielleicht müssen wir als Zeugen unterschreiben, Clemmy!“
„Ach Gott!“ entgegnete seine aufrichtige Gefährtin mit der von ihr bevorzugten Drehung ihres Lieblingsgelenks. „Ich wünschte, ich wär’s, Britain!“
„Was willst du sein?“
„Die, die heiratet“, sagte Clemency.
Benjamin nahm die Pfeife aus dem Mund und lachte herzhaft. „Ja, du bist genau die Richtige dafür!“ sagte er. „Arme Clem!“
Clemency lachte ebenso herzhaft wie er und schien sich über diesen Gedanken nicht weniger zu amüsieren. „Ja“, pflichtete sie bei, „ich bin genau die Richtige dafür, was?“
„Du wirst niemals heiraten, weißt du“, sagte Britain und nahm die Pfeife wieder
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