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auf.
„Glaubst du nich, daß ich doch mal heirate?“ fragte Clemency in gutem Glauben.
Mr. Britain schüttelte den Kopf. „Keine Chance!“
„So, so!“ sagte Clemency. „Na, ich nehme an, Britain, du hast schon einen ganz bestimmten Tag im Auge, oder nich?“
Eine so plötzliche Frage von so großer Tragweite erforderte Überlegung. Nachdem er eine riesige Rauchwolke ausgestoßen und sie betrachtet hatte, wobei er den Kopf einmal nach links, dann nach rechts legte, als wäre sie die eigentliche Frage und als betrachte er sie von verschiedenen Seiten, antwortete Mr. Britain, daß er sich noch nicht im klaren darüber sei, aber ja, er glaubte, er würde schließlich noch dazu kommen.
„Ich wünsche ihr Glück, wer immer sie sein mag!“ rief Clemency.
„Oh, das wird sie haben“, sagte Benjamin, „ganz bestimmt.“
„Sie würde aber kein so frohes Leben führen, wie sie es jetzt führen wird, und hätte keinen so umgänglichen Mann, wie sie ihn nun haben wird“, sagte Clemency, die sich über den halben Tisch lehnte und zurückblickend in die Kerze starrte, „wenn nich ich – nich, daß ich es tun wollte, denn es war ganz sicher Zufall –, wenn nich ich gewesen wär, stimmt’s, Britain?“
„Gewiß“, erwiderte Mr. Britain, der unterdessen in jenes Stadium der Wertschätzung seiner Pfeife getreten war, in der ein Mann den Mund gerade noch einen Spalt zum Sprechen öffnen und, genießerisch unbeweglich auf dem Stuhl sitzend, nur noch die Blicke auf einen Gefährten richten kann, und das auch teilnahmslos und ernst. „Oh! Weißt du, ich bin dir sehr verpflichtet, Clem.“
„Ach Gott, wie schön is der Gedanke daran!“ sagte Clemency.
Da sie zur gleichen Zeit ihre Gedanken wie auch ihre Blicke auf das geschmolzene Wachs richtete und sich plötzlich an dessen heilende Wirkung als Salbe erinnerte, rieb sie ihren linken Ellbogen reichlich mit diesem Mittel ein.
„Siehst du, ich hab in meinem Leben ’ne ganze Menge Nachforschungen dieser und jener Art angestellt“, fuhr Mr. Britain mit der Tiefsinnigkeit eines Weisen fort, „ich war nämlich schon immer ein wißbegieriger Mensch, und ich hab ’ne ganze Menge Bücher über das Rechte und Unrechte von Dingen im allgemeinen gelesen, denn ich ging ins literarische Fach, als mein Leben begann.“
„Wirklich?“ rief Clemency bewundernd aus.
„Ja“, sagte Mr. Britain. „Ich war fast zwei Jahre hinter einem Bücherstand versteckt und hielt mich bereit, hervorzustürzen, falls jemand einen Band einstecken wollte. Danach war ich Dienstmann bei einem Korsettmacher und Damenschneider. In dieser Eigenschaft hatte ich die Aufgabe, weiter nichts als Betrügereien in Wachstuchkörben umherzutragen, was meine Seele verbitterte und meinen Glauben an die menschliche Natur erschütterte. Und danach hörte ich eine Menge Diskussionen in diesem Haus, was meine Seele aufs neue verbitterte, und nach alldem bin ich der Meinung, daß als sicherer Seelentröster und angenehmer Begleiter durchs Leben nichts so geeignet ist wie eine Muskatreibe.“
Clemency war im Begriff, einen Vorschlag zu machen, doch er kam ihr zuvor.
„Zusammen“, fügte er feierlich hinzu, „mit einem Fingerhut.“
„‚Tu, was du willst‘ und so weiter, eh!“ bemerkte Clemency, verschränkte in ihrer Freude über diese Erklärung gemütlich die Arme und tätschelte die Ellbogen. „Eine ganz schön kurzgefaßte Sache, nich wahr?“
„Ich bin nicht sicher“, sagte Mr. Britain, „das würde man als vernünftige Philosophie betrachten. Ich hab meine Zweifel, aber sie ist einfach und erspart viel Verwirrung, was bei einer ganzen Abhandlung nicht immer der Fall ist.“
„Sieh doch mal, wie du selbst vorangekommen bist!“ sagte Clemency.
„Ha!“ sagte Mr. Britain, „aber das Unverständlichste dabei ist, Clemmy, daß ich erleben mußte, durch dich umgestimmt zu werden. Das ist das Seltsamste daran. Durch dich! Na, dabei hast du wohl nicht den Schimmer eines Gedankens im Kopf.“
Clemency schüttelte ihn, ohne im mindesten beleidigt zu sein, lachte, liebkoste sich selbst und sagte: „Nein, habe ich vermutlich nich.“
„Da bin ich sicher“, sagte Mr. Britain.
„Oh! Da hast du allerdings recht“, sagte Clemency. „Ich täusche keine Gedanken vor und habe auch keine.“
Benjamin nahm die Pfeife aus dem Mund und lachte, bis ihm die Tränen herunterrannen. „Was für ein Schwachkopf du bist, Clemmy!“ sagte er, schüttelte den Kopf mit einem grenzenlosen Vergnügen an
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