Alle Weihnachtserzählungen
vors Gesicht.
„Die Farbe greift meine Augen an“, sagte sie.
Die Farbe? Ach, armer kleiner Tim!
„Jetzt geht es schon wieder besser“, sagte Cratchits Frau. „Das Kerzenlicht ist nicht gut für sie, und ich möchte auf keinen Fall eurem Vater schwache Augen zeigen, wenn er nach Hause kommt. Es muß bald soweit sein.“
„Beinahe später“, antwortete Peter und klappte sein Buch zu. „Aber ich glaube, Mutter, an den letzten Abenden ist er etwas langsamer als sonst gelaufen.“
Wieder waren sie sehr still. Endlich sagte sie mit fester, fröhlicher Stimme, die nur einmal schwankte:
„Ich weiß noch, wie er mit … ich weiß noch, wie er mit dem kleinen Tim auf den Schultern gelaufen ist, wirklich sehr schnell.“
„Ich auch!“ rief Peter. „Oft.“
„Ich auch!“ rief ein anderer. Alle wußten es.
„Aber er war sehr leicht zu tragen“, fuhr sie fort, mit ihrer Arbeit beschäftigt, „und sein Vater hat ihn so geliebt, daß es keine Mühe für ihn war, gar keine Mühe. – Da ist euer Vater an der Tür!“
Sie eilte ihm entgegen, und der kleine Bob mit seinem Wollschal – er brauchte ihn, der arme Kerl – kam herein. Sein Tee stand für ihn auf dem Kamineinsatz bereit, und alle bemühten sich, ihn am besten zu bedienen. Dann kletterten die beiden jungen Cratchits auf seine Knie und lehnten ihre kleinen Wangen an sein Gesicht, als wollten sie sagen: „Mach dir nichts draus, Vater. Gräme dich nicht so!“
Bob war fröhlich mit ihnen und sprach freundlich mit der ganzen Familie. Er betrachtete die Arbeit auf dem Tisch und lobte den Fleiß und die Geschwindigkeit von Mrs. Cratchit und den Mädchen. Sie würden lange vor Sonntag fertig sein, sagte er.
„Sonntag! Du warst also heute dort, Robert?“ fragte seine Frau.
„Ja, meine Liebe“, erwiderte Bob. „Ich wünschte, du hättest gehen können. Es hätte dir gutgetan zu sehen, wie grün die Stelle ist. Aber du wirst sie noch oft sehen. Ich habe ihm versprochen, sonntags dorthin zu gehen. Mein kleines, kleines Kind!“ weinte Bob. „Mein kleines Kind!“
Er brach auf einmal zusammen. Er konnte nicht anders, und wenn er es gekonnt hätte, wären er und sein Kind vielleicht einander ferner gewesen, als sie es jetzt waren.
Er verließ das Zimmer und ging die Treppe hinauf nach oben in den Raum, der freundlich erleuchtet und weihnachtlich geschmückt war. Dicht neben dem Kind stand ein Stuhl, und man merkte, daß erst vor kurzem jemand dagewesen war. Der arme Bob setzte sich, und als er ein wenig nachgedacht und sich gefaßt hatte, küßte er das kleine Gesicht. Er hatte sich abgefunden mit dem, was geschehen war, und ging wieder recht glücklich hinunter.
Sie setzten sich um das Feuer und unterhielten sich, wobei die Mutter und die Mädchen noch immer arbeiteten. Bob erzählte ihnen von der außerordentlichen Freundlichkeit des Neffen von Mr. Scrooge, den er erst einmal gesehen und der ihn, als er ihn heute auf der Straße traf und ihm ansah, daß er etwas – na eben etwas niedergeschlagen war, fragte, was denn Betrübliches geschehen sei. „Worauf ich“, sagte Bob, „denn er ist der liebenswürdigste Herr, den man sich denken kann, es ihm erzählte. ‚Das tut mir herzlich leid, Mr. Cratchit‘, sagte er, ‚und es tut mir auch herzlich leid für Ihre liebe Frau.‘ Übrigens, woher ihm das bekannt war, weiß ich nicht.“
„Was bekannt war, mein Lieber?“
„Nun, daß du eine liebe Frau bist“, erwiderte Bob.
„Das weiß doch jeder!“ sagte Peter.
„Sehr gut bemerkt, mein Junge!“ rief Bob. „Ich will es hoffen. ‚Es tut mir herzlich leid für Ihre liebe Frau. Wenn ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein kann‘, sagte er und gab mir seine Karte, ‚hier ist meine Adresse. Bitte kommen Sie zu mir.‘ Es ging weniger darum“, rief Bob, „daß er etwas für uns tun könnte, als um die freundliche Art, die einfach wunderbar war. Es schien wirklich so, als hätte er unseren kleinen Tim gekannt und fühlte mit uns.“
„Ich bin überzeugt, er ist eine gute Seele!“ sagte Mrs. Cratchit.
„Du wärst noch überzeugter, meine Liebe“, erwiderte Bob, „wenn du ihn sähest und sprächest. Ich wäre gar nicht überrascht – paß auf, was ich sage! –, wenn er Peter eine bessere Stellung besorgen würde.“
„Hör nur, Peter“, sagte Mrs. Cratchit.
„Und dann“, rief eins der Mädchen, „wird sich Peter ein Mädchen anschaffen und sich selbständig machen.“
„Unsinn!“ erwiderte Peter grinsend.
„Es
Weitere Kostenlose Bücher