Alle Weihnachtserzählungen
fragte Joe.
„Was glaubst du wohl, von wem sonst?“ erwiderte die Frau. „Er wird sich ohne sie schon nicht erkälten, glaub ich.“
„Hoffentlich ist er nicht an etwas Ansteckendem gestorben, oder?“ sagte der alte Joe, hielt in seiner Arbeit inne und blickte hoch.
„Und wennschon. So lieb war mir seine Gesellschaft auch wieder nicht, daß ich mich lange bei ihm aufgehalten hab. Ha, du kannst dir das Hemd ansehen, bis dir die Augen weh tun, aber du wirst weder ein Loch noch eine dünne Stelle darin finden. Es ist das beste, das er hatte, und wirklich schön. Sie hätten es verschwendet, wenn ich es nicht genommen hätte.“
„Was meinst du mit Verschwenden?“ fragte der alte Joe. „Selbstverständlich es ihm im Sarg anziehen“, antwortete die Frau lachend. „Jemand war so dumm, aber ich hab’s ihm wieder weggenommen. Wenn Kattun für diesen Zweck nicht gut genug ist, dann für überhaupt nichts. Er steht der Leiche genausogut. Er kann darin nicht häßlicher aussehen, als er in diesem aussah.“
Scrooge lauschte diesem Gespräch mit Entsetzen. Wie sie bei dem spärlichen Licht, das die Lampe des alten Mannes spendete, um ihre Beute geschart dasaßen, betrachtete er sie mit Verachtung und Abscheu, die kaum hätten größer sein können, wenn sie häßliche Dämonen gewesen wären, die um die Leiche selbst schacherten.
„Haha!“ lachte dieselbe Frau, als der alte Joe einen Flanellbeutel mit Geld herauszog und jedem die Münzen auf den Fußboden hinzählte. „Das ist das Ende vom Lied, seht ihr! Er hat jeden von sich gestoßen, als er noch lebte, um uns nach seinem Tod zu nutzen! Hahaha!“
„Geist!“ sagte Scrooge und erschauerte am ganzen Leibe. „Ich verstehe. Der Fall dieses unglücklichen Mannes könnte mein eigener sein. Mein jetziges Leben läuft in diese Richtung. Barmherziger Himmel, was ist das?“
Er prallte entsetzt zurück, denn der Schauplatz hatte sich verändert, und fast hätte er ein Bett berührt, ein kahles Bett ohne Vorhänge, auf dem unter einem zerfetzten Laken ein verdecktes Etwas lag, das sich, obwohl es stumm war, in einer furchtbaren Sprache äußerte.
Der Raum war sehr dunkel, zu dunkel, als daß man mit einiger Deutlichkeit hätte etwas wahrnehmen können, obwohl Scrooge, einem geheimen Drang folgend, um sich blickte, begierig zu wissen, um was für ein Zimmer es sich handelte. Ein schwaches Licht, das von draußen kam, fiel direkt auf das Bett, und darauf lag, bestohlen und ausgeraubt, unbewacht, unbeweint und unbeachtet, der Leichnam dieses Mannes.
Scrooge warf dem Geist einen Blick zu. Seine unbewegliche Hand wies auf den Kopf. Die Zudecke war so liederlich darüber gebreitet, daß das leichteste Anheben, ja die Bewegung eines Fingers von seiten Scrooges das Gesicht freigelegt hätte. Er dachte daran, es zu tun, und fühlte, wie einfach es wäre, und hatte das Verlangen danach, doch er besaß ebensowenig Kraft, den Schleier wegzuziehen, wie das Gespenst an seiner Seite fortzuschicken.
„O kalter, kalter, unerbittlicher, furchtbarer Tod. Errichte hier deinen Altar und umgib ihn mit allen Schrecken, die dir zu Gebote stehen, denn das ist dein Reich! Aber einem geliebten, verehrten und geschätzten Haupt kannst du zu deinen furchtbaren Zwecken kein Haar krümmen oder dessen Züge entstellen. Es kommt nicht darauf an, daß die Hand schwer ist und herabfällt, wenn man sie losläßt; nicht darauf, daß das Herz und der Puls stillstehen, sondern daß die Hand offen, freigebig und zuverlässig, das Herz tapfer, warm und zärtlich und der Puls der eines Menschen war. Schlag zu, Schatten, schlag zu! Und sieh, wie seine guten Taten aus der Wunde quellen, um unsterbliches Leben in die Welt zu säen!“
Niemand flüsterte Scrooge diese Worte in die Ohren, und dennoch hörte er sie, als er auf das Bett schaute. Er überlegte, welche Gedanken der Mann in erster Linie hätte, wenn er jetzt zum Leben erweckt würde: Habsucht, Härte, quälende Sorgen? Sie haben ihn wahrhaftig weit gebracht.
Er lag in dem düsteren, leeren Haus ohne einen Mann, eine Frau oder ein Kind, die gesagt hätten, daß er zu ihnen in dieser oder jener Hinsicht gut gewesen wäre und daß sie zur Erinnerung an ein freundliches Wort auch zu ihm gut sein wollten. Eine Katze kratzte an der Tür, und unter dem Herdstein hörte man das Nagen der Ratten. Was sie in dem Sterbezimmer wollten und warum sie so unruhig und aufgeregt waren, wagte Scrooge gar nicht auszudenken.
„Geist“, sagte er, „das ist
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