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Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hing, und sagte zu Trotty:
    „Ich bin von Natur aus kein widerspenstiger Mensch, glaube ich, sondern bestimmt leicht zufriedenzustellen. Ich hege auch keinen Groll gegen niemand von ihnen. Ich will nur wie eins von Gottes Geschöpfen leben. Ich kann es nich – und ich lebe nich so –, und deshalb is ’n Abgrund zwischen mir und denen, die’s können. Es gibt noch andere wie mich. Man kann sie eher zu Hunderten und Tausenden als einzeln abzählen.“
    Trotty wußte, daß er damit die Wahrheit sagte, und nickte, um das deutlich zu verstehen zu geben.
    „Ich hab auf diese Weise ’nen schlechten Ruf“, sagte Fern, „und werde wohl, fürcht ich, keinen bessern bekommen! ’s is nich rechtmäßig, nich in Ordnung zu sein, und ich bin nich in Ordnung, obwohl Gott weiß, daß ich lieber fröhlich wäre, wenn ich könnte. Nun, ich weiß nich, ob mir dieser Stadtrat sehr schaden könnte, wenn er mich ins Gefängnis steckt; aber ohne einen Freund, der ein gutes Wort für mich einlegt, vielleicht doch; und sehen Sie …!“ Damit wies er mit dem Finger auf das Kind.
    „Sie hat ein hübsches Gesicht“, sagte Trotty.
    „Nun ja!“ erwiderte der andere leise, als er es sanft mit beiden Händen zu sich hochhob und unverwandt ansah. „Das hab ich auch viele Male gedacht. Das hab ich gedacht, wenn mein Herd kalt und der Schrank leer war. Ich hab auch gestern abend dran gedacht, als wir wie zwei Diebe festgenommen wurden. Aber diese Leute – sie sollten dem kleinen Gesicht nich zu oft mitspielen, nich wahr, Lilian? Das is schon einem Mann gegenüber nich anständig!“
    Er senkte seine Stimme dermaßen und starrte so finster und seltsam auf die Kleine hinab, daß Toby, um ihn von seinen Gedanken abzulenken, fragte, ob seine Frau noch lebe.
    „Ich hatte nie eine“, antwortete er und schüttelte den Kopf. „Sie is das Kind meines Bruders, ’ne Waise. Neun Jahre alt, obwohl man das kaum glaubt, aber sie is jetzt müde und erschöpft. Sie hätten sie ja im Armenhaus – achtundzwanzig Meilen von uns weg – in ihren vier Wänden betreut (wie sie meinen alten Vater betreut haben, als er nich mehr arbeiten konnte, obwohl er sie nich lange belästigt hat), aber ich hab sie zu mir genommen, und seitdem lebt sie bei mir. Ihre Mutter hatte mal ’ne Freundin, hier in London. Wir versuchen, sie und auch Arbeit zu finden, aber es is ’n großer Ort. Macht nichts. Mehr Platz für uns, herumzuwandern, Lilly!“
    Während er den Augen des Kindes mit einem Lächeln begegnete, das Toby mehr rührte als Tränen, schüttelte er diesem die Hand.
    „Ich weiß weiter nichts als Ihren Namen“, sagte er, „aber ich hab Ihnen mein Herz ausgeschüttet, denn ich bin Ihnen dankbar, aus gutem Grund. Ich werd Ihren Rat befolgen und mich fernhalten von diesem …“
    „Richter“, schlug Toby vor.
    „Aha!“ sagte er. „Wenn das der Name is, den man ihm gibt. Dieser Richter. Und morgen werden wir sehen, ob wir mehr Glück haben, irgendwo in der Nähe von London. Gute Nacht. Glückliches neues Jahr!“
    „Warten Sie!“ rief Trotty und griff nach seiner Hand, als er ihn losließ. „Das neue Jahr kann für mich nicht glücklich werden, wenn wir uns so trennen. Das neue Jahr kann für mich nicht glücklich werden, wenn ich das Kind und Sie davonziehen sehe und Sie nicht wissen, wohin, ohne ein Dach über dem Kopf. Kommen Sie mit zu mir nach Hause! Ich bin ein armer Mann und wohne an einem armseligen Ort, aber ich kann Ihnen ohne weiteres für eine Nacht Unterkunft geben. Kommen Sie mit zu mir nach Hause! – So. Ich werde sie nehmen!“ rief Trotty und hob das Kind hoch. „Ein hübsches Ding. Ich würde sie auch tragen, wenn sie zwanzigmal so schwer wäre, und nicht merken, daß ich sie trage. Sagen Sie mir, wenn ich Ihnen zu schnell gehe. Ich bin sehr schnell. Schon immer gewesen.“ Das sagte Trotty und machte ungefähr sechs seiner trottenden Schritte, wobei wiederum seine dünnen Beine unter der Last, die er trug, zitterten, während sein müder Begleiter einmal kräftig ausschritt.
    „Na, sie ist ganz leicht“, sagte Trotty und sprach so schleppend, wie er ging; denn er konnte es nicht vertragen, daß man ihm dankte, und fürchtete eine Pause. „So leicht wie eine Feder. Leichter als eine Pfauenfeder, viel leichter. Da sind wir ja schon! An der nächsten Ecke rechts rum, Onkel Will, und an der Pumpe vorbei und scharf nach links die Straße hoch, gleich gegenüber dem Gasthaus. Da sind wir ja schon! Gehen Sie hinüber, Onkel Will, und

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