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Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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furchtbares Verbrechen, was seine von Megs Liebe aufgeschlossene Seele dermaßen empörte, daß er das Blatt fallen ließ und entsetzt in seinen Stuhl zurücksank.
    „Widernatürlich und grausam!“ rief Toby. „Widernatürlich und grausam. Nur Menschen, die ein böses Herz haben, schon böse geboren wurden und nichts auf der Welt zu suchen haben, können solche Taten begehen. Es ist nur zu wahr, was ich heute alles gehört hab, ganz gerecht und glaubwürdig. Wir sind schlecht!“
    Die Silvesterglocken griffen die Worte so plötzlich auf und erklangen so laut und klar und volltönend, daß sie ihn auf seinem Stuhl zu treffen schienen.
    Und was war das, was sie ihm sagten?
    „Toby Veck, Toby Veck, wir warten auf dich, Toby! Toby Veck, Toby Veck, wir warten auf dich, Toby! Komm, besuch uns! Komm, besuch uns! Zieht ihn her, zieht ihn her! Quält und jagt ihn, quält und jagt ihn! Stört den Schlummer, stört den Schlummer! Toby Veck, Toby Veck! öffne weit die Tür, Toby! Toby Veck, Toby Veck! öffne weit die Tür, Toby!“ Dann fielen sie wieder wütend in ihre leidenschaftliche Melodie zurück und erschallten selbst in den Ziegeln und dem Putz der Mauern.
    Toby lauschte. Einbildung, Phantasie! Seine Reue, daß er am Nachmittag vor ihnen weggelaufen war! Nein, nein. Nichts dergleichen. Wieder, wieder und noch ein dutzendmal. „Quält und jagt ihn, quält und jagt ihn! Zieht ihn her, zieht ihn her!“ Die ganze Stadt wurde damit betäubt.
    „Meg“, sagte Trotty zärtlich, als er an ihre Tür klopfte. „Hörst du etwas?“
    „Ich höre die Glocken, Vater. Sie sind heute wirklich sehr laut.“
    „Schläft sie?“ fragte Toby und entschuldigte sich, daß er hineinspähte.
    „So friedlich und glücklich. Ich kann sie noch gar nicht verlassen, Vater. Sieh mal, wie sie meine Hand festhält.“
    „Meg“, flüsterte Trotty. „Hör dir die Glocken an!“
    Sie lauschte, wobei sie ihm die ganze Zeit über das Gesicht zuwandte. Aber ihre Miene veränderte sich nicht. Sie verstand die Glocken nicht.
    Trotty zog sich zurück, nahm wieder seinen Platz am Feuer ein und lauschte noch einmal allein. Hier blieb er kurze Zeit sitzen.
    Es war unmöglich, sie zu ertragen. Ihre Kraft war schrecklich.
    „Wenn die Turmtür wirklich offensteht“, sagte Toby und legte hastig seine Schürze beiseite, ohne jedoch an seinen Hut zu denken, „was kann mich daran hindern, in den Glockenturm hinaufzusteigen und mich selbst zu überzeugen? Wenn sie geschlossen ist, bin ich damit zufrieden.“
    Er war sich ziemlich sicher, als er still auf die Straße hinausschlüpfte, daß er sie verschlossen vorfinden würde, denn er kannte die Tür gut und hatte sie so selten offen gesehen, daß er kaum auf dreimal kam. Es handelte sich um eine flachgewölbte Pforte außerhalb des Kirchenschiffes, die sich in einem dunklen Winkel hinter einer Säule befand und so große Angeln und ein so riesiges Schloß hatte, daß sie mehr aus Angeln und Schloß bestand als aus der Türfüllung.
    Wie groß aber war sein Erstaunen, als er barhäuptig zur Kirche kam, seine Hand in diese dunkle Nische steckte – mit einer gewissen Befürchtung, daß sie unerwartet ergriffen werden könnte, und mit einem schauererregenden Hang, sie wieder zurückzuziehen – und feststellte, daß die Tür, die nach außen aufging, tatsächlich nur angelehnt war.
    In seiner ersten Verwunderung dachte er daran, zurückzugehen oder ein Licht oder einen Begleiter zu holen, aber sein Mut half ihm sofort, und er beschloß, allein hinaufzusteigen.
    „Was habe ich zu befürchten?“ sagte Trotty. „Es ist schließlich ’ne Kirche. Außerdem können die Glöckner dasein und vergessen haben, die Tür zu schließen.“
    Also ging er hinein und ertastete den Weg wie ein Blinder, denn es war sehr dunkel. Und sehr still, denn die Glocken schwiegen.
    Der Straßenstaub war in die Nische geweht worden, und seine Anhäufung war für den Fuß so weich und samtähnlich, daß sogar darin etwas Verwirrendes lag. Die schmale Treppe begann so dicht an der Tür, daß er über die erste Stufe stolperte, und als er die Tür hinter sich schloß, indem er mit dem Fuß dagegenstieß und sie dadurch zunächst heftig zurückprallte, konnte er sie nicht mehr öffnen.
    Das war jedoch ein neuerlicher Grund weiterzugehen. Trotty tastete sich vorwärts und ging weiter. Hinauf, hinauf und herum, herum und hinauf, hinauf, hinauf und höher, höher hinauf.
    Die Treppe war für dieses Ertasten unangenehm, so niedrig und

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