Alle Weihnachtserzählungen
ein paar Tropfen Bier aus dem Hahn auf den Fußboden fallen, bis vollkommene Stille eingetreten war, als er den Kopf hob und zu Mrs. Tugby, ehemals Chickenstalker, sagte: „Diese Frau ist irgendwie interessant, sogar jetzt noch. Wie kam es dazu, daß sie so einen Mann heiratete?“
„Nun“, sagte Mrs. Tugby und setzte sich neben ihn, „das ist ein besonders grausames Kapitel ihrer Geschichte, Sir. Sehen Sie, sie und Richard waren vor vielen Jahren befreundet. Als sie ein junges und schönes Paar waren, schien alles klar, und sie sollten an einem Neujahrstag heiraten. Aber irgendwie setzte sich Richard in den Kopf, was ihm die Herren einredeten, daß er Besseres leisten könnte und daß er es bald bereuen würde und daß sie nicht gut genug für ihn wäre und daß es für einen jungen Mann mit Geist keine Sache ist, sich zu verheiraten. Und die Herren schüchterten sie ein und machten sie schwermütig und jagten ihr Angst ein, daß er sie verlassen würde und ihre Kinder an den Galgen kämen und daß es sündhaft wäre, Mann und Frau zu sein, und noch vieles mehr. Und, kurz gesagt, bekam ihr Verhältnis einen Knacks, und mit ihrem Vertrauen zueinander war es vorbei und mit ihnen auch. Aber die Schuld lag bei ihm. Sie hätte ihn gern geheiratet, Sir. Ich habe später noch viele Male erlebt, wie ihr beinahe das Herz gebrochen wäre, wenn er stolz und gleichgültig an ihr vorbeiging. Und niemals hat sich eine Frau ehrlicher um einen Mann gegrämt als sie um Richard, als er das erstemal auf die schiefe Bahn geriet.“
„Oh! Er kam auf die schiefe Bahn?“ fragte der Herr, zog den Spund aus dem Bierfaß und lugte durch das Loch hinein.
„Nun, Sir, ich weiß nicht, ob er sich selbst richtig begriff, wissen Sie. Ich glaube, er war ziemlich durcheinander, weil sie miteinander gebrochen hatten; und wenn er sich nicht vor den Herren geschämt hätte und vielleicht nicht im ungewissen gewesen wäre, wie sie es aufnehmen würde, hätte er jedes Leiden und jede Anfechtung durchgemacht, um Megs Versprechen und ihre Hand wiederzubekommen. Das ist meine Meinung. Er hat es nie gesagt, um so schlimmer! Er gewöhnte sich das Trinken und Faulenzen an und fand an schlechter Gesellschaft Gefallen, an all den feinen Zufluchtsmöglichkeiten, die soviel besser für ihn sein sollten als das Zuhause, das er hätte haben können. Er büßte sein gutes Aussehen, seinen Charakter, seine Gesundheit und Kraft, seine Freunde, seine Arbeit – alles – ein!“
„Er büßte nicht alles ein, Mrs. Tugby“, entgegnete der Herr, „weil er eine Frau erwarb, und ich möchte wissen, wie er sie erwarb.“
„Dazu komme ich gleich, Sir. So ging das Jahr für Jahr weiter mit ihm. Er sank immer tiefer. Sie ertrug Schicksalsschläge, die für ein ganzes Leben ausreichen würden – das arme Ding. Schließlich war er dermaßen entmutigt und ausgestoßen, daß ihn keiner mehr einstellen oder beachten wollte, und ihm wurden die Türen vor der Nase zugeschlagen; sollte er gehen, wohin er wollte. Und er ging von Ort zu Ort und von Tür zu Tür und kam zum hundertsten Male zu einem Herrn, der es oft mit ihm versucht hatte (letzten Endes war er ein guter Arbeiter). Dieser Herr, der seine Geschichte kannte, sagte: ‚Ich glaube, Sie sind unverbesserlich. Es gibt nur einen Menschen auf der Welt, der Sie auf die richtige Bahn zurückbringen kann. Bitten Sie mich nicht eher, Ihnen zu trauen, bis sie es versucht hat.‘ Oder so was Ähnliches sagte er in seinem Ärger und Verdruß.“
„Aha!“ sagte der Herr. „Und?“
„Nun, Sir, er ging zu ihr hin und kniete vor ihr nieder, sagte, es ist so und war immer so gewesen, und bat sie inständig, ihn zu retten.“
„Und sie? – Nehmen Sie’s nicht so schwer, Mrs. Tugby.“
„Sie kam an jenem Abend zu mir, um mich zu fragen, ob sie hier wohnen könnten. ‚Was er mir einmal bedeutet hat‘, sagte sie, ‚liegt begraben, zusammen mit dem, was ich einmal für ihn war. Aber ich habe darüber nachgedacht, und ich will den Versuch machen, in der Hoffnung, ihn zu retten. Um der Liebe des sorglosen Mädchens willen (Sie erinnern sich an sie), das an einem Neujahrstag heiraten sollte, und um der Liebe zu ihrem Richard willen.‘ Und sie sagte, er wäre von Lilian zu ihr gekommen und Lilian hätte Vertrauen in ihn gesetzt und sie könnte das nie vergessen. So heirateten sie, und als sie hierher in ihr Zuhause kamen und ich sie sah, hoffte ich, daß solche Prophezeiungen, die sie trennten, als sie jung waren, nicht
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