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Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sag mir, daß du mich von dieser Stunde an vergißt und dir vorzustellen versuchst, daß mein Ende hier war.“
    „Was hast du getan?“ fragte sie wieder.
    „Heute nacht wird ein Brand sein“, sagte er und entfernte sich von ihr. „In diesem Winter werden Brände die dunklen Nächte erhellen, in Ost und West, in Nord und Süd. Wenn du den Himmel in der Ferne rot siehst, werden sie lodern. Wenn du den Himmel in der Ferne rot siehst, denke nich mehr an mich, oder wenn, dann erinnere dich daran, was für eine Hölle in mir brannte, und stelle dir vor, du siehst ihre Flammen sich in den Wolken widerspiegeln. Gute Nacht. Leb wohl!“
    Sie rief ihm nach, aber er war weg. Sie saß wie betäubt da, bis ihr Kind das Gefühl für Hunger, Kälte und Dunkelheit in ihr wachrief. Die ganze lange Nacht hindurch schritt sie mit ihm durchs Zimmer und besänftigte und tröstete es. In Abständen sagte sie: „Wie Lilian, als ihre Mutter starb und sie zurückließ!“ Warum war jedesmal ihr Schritt so rasch, ihr Blick so verstört, ihre Liebe so wild und schrecklich, wenn sie diese Worte wiederholte?
    „Aber es ist Liebe“, sagte Trotty. „Es ist Liebe. Sie wird niemals aufhören, es zu lieben. Meine arme Meg!“
    Am nächsten Morgen zog sie das Kind mit ungewohnter Sorgfalt an – ach, welche Verschwendung an Sorgfalt bei solch verwahrloster Kleidung! – und versuchte noch einmal, eine Erwerbsquelle zu finden. Es war der letzte Tag im alten Jahr. Sie versuchte es bis zum Abend und frühstückte nicht einmal. Sie versuchte es umsonst.
    Sie mischte sich unter die erniedrigte Menge, die sich im Schnee aufhielt, bis ein Beamter, der dazu ausersehen war, die öffentliche Mildtätigkeit zu verteilen (die gesetzliche Mildtätigkeit, nicht die, die einst auf einem Berg gepredigt wurde), die Güte hatte, sie hereinzurufen und zu befragen und zu dem einen zu sagen: „Gehen Sie zu solch einer Stelle“ und zu dem anderen: „Kommen Sie nächste Woche“ und wiederum einen anderen Elenden zu einem Fußball zu machen, den man hierhin und dorthin reicht, von Hand zu Hand, von Haus zu Haus, bis er gänzlich aufgerieben ist und sich zum Sterben niederlegt oder sich erhebt und stiehlt und somit zu einem noch schlimmeren Verbrecher wird, dessen Forderungen keinen Verzug gestatten. Auch hier hatte sie keinen Erfolg.
    Sie liebte ihr Kind und wünschte sich, es an ihrer Brust liegen zu haben. Und das genügte.
    Es war Nacht – eine kalte, dunkle, schneidend kalte Nacht –, als sie, das Kind eng an sich drückend, damit es gewärmt werde, vor dem Haus anlangte, das sie ihr Zuhause nannte. Sie war dermaßen schwach und schwindlig, daß sie keinen im Torweg stehen sah, bis sie kurz davor stand und eintreten wollte. Dann erkannte sie den Hauswirt, der sich so hingestellt hatte – bei seiner Figur war das nicht schwierig –, daß er den gesamten Eingang ausfüllte.
    „Oh!“ sagte er leise. „Sie sind zurückgekommen?“
    Sie betrachtete das Kind und schüttelte den Kopf.
    „Finden Sie nicht, daß Sie hier lange genug gewohnt haben, ohne Miete zu zahlen? Finden Sie nicht, daß Sie ohne Geld jetzt ’n ganz schön teurer Kunde in diesem Geschäft sind?“ sagte Mr. Tugby.
    Sie wiederholte dieselbe stumme Bitte.
    „Wie wäre es, wenn Sie versuchen, mal woanders zu kaufen“, sagte er. „Und wie wäre es, wenn Sie sich ’ne andre Wohnung besorgen. Na! Meinen Sie nicht, das läßt sich einrichten?“
    Sie sagte mit leiser Stimme, daß es sehr spät wäre. Morgen.
    „Nun sehe ich, worauf Sie hinauswollen“, sagte Tugby, „und was Sie im Sinn haben. Sie wissen, daß in diesem Haus Ihretwegen zwei Parteien bestehen, und haben Ihre Freude dran, wenn die sich in den Haaren liegen. Ich mag keinen Zank. Ich spreche leise, um Streit zu vermeiden, aber wenn Sie nicht weggehen, werde ich laut und deutlich sprechen, und Sie sollen Sachen hören, die Ihnen reichen. Aber Sie werden nicht hereinkommen. Dazu bin ich fest entschlossen.“
    Sie strich mit der Hand ihr Haar zurück und blickte plötzlich zum Himmel auf und in die dunkle, drohende Ferne.
    „Das ist die letzte Nacht eines alten Jahres, und ich will kein böses Blut und Streit und Unruhe ins neue Jahr hineintragen, um Sie oder sonstwen zufriedenzustellen“, sagte Tugby, der auf seine Art ein Freund und Vater der Armen war. „Ich staune, daß Sie sich nicht schämen, mit solchen Schlichen in ein neues Jahr zu gehen. Wenn Sie weiter nichts auf der Welt zu tun haben, als ständig aufzustecken

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