Alle Weihnachtserzählungen
schwiegen noch immer.
„Erbarmt euch ihrer“, rief er aus, „als einer, in der dieses furchtbare Verbrechen aus falscher Liebe entstanden ist, aus der stärksten und tiefsten Liebe, die wir niedrigen Geschöpfe kennen. Bedenkt, wie groß ihre Not gewesen sein muß, wenn solche Saat solche Früchte trägt! Der Himmel hat sie dazu ausersehen, gut zu sein. Es gibt keine liebende Mutter auf der Welt, die nach solch einem Leben nicht so weit kommen könnte. Oh, erbarmt euch meiner Tochter, die sich, selbst an dieser Pforte, ihres eigenen Kindes erbarmt und selbst stirbt und ihre unsterbliche Seele in Gefahr bringt, um es zu retten!“
Sie lag in seinen Armen. Er hielt sie jetzt. Seine Kräfte glichen denen eines Riesen.
„Ich sehe den Geist der Silvesterglocken unter euch!“ rief der alte Mann, wobei er sich besonders an das Kind wandte und mit einer Begeisterung sprach, die aller Blicke auf ihn lenkte. „Ich weiß, daß unser Erbe von der Zeit für uns bereitgehalten wird. Ich weiß, eines Tages wird ein Meer der Zeit anschwellen, von dem alle, die uns unrecht tun und unterdrücken, wie Blätter hinweggefegt werden. Ich sehe es auf dem Fluß. Ich weiß, daß wir Vertrauen und Hoffnung haben müssen und niemals an uns selbst noch an dem Guten in anderen zweifeln dürfen. Ich habe es von dem Geschöpf gelernt, das meinem Herzen am nächsten steht. Ich schließe sie wieder in meine Arme. O barmherzige und gütige Geister, ich nehme mir eure Lehre zu Herzen, gemeinsam mit ihr! O barmherzige und gütige Geister, ich bin dankbar!“
Möglicherweise hätte er mehr gesagt, doch die Glocken, die alten, vertrauten Glocken, seine lieben, zuverlässigen, festen Freunde, die Silvesterglocken, setzten mit dem Freudengeläut zum neuen Jahr ein: so kräftig, so fröhlich, so glücklich, so heiter, daß er auf die Füße sprang und den Bann brach, der ihn gefangenhielt.
„Was auch immer du tust, Vater“, sagte Meg, „iß nicht wieder Kutteln, ohne einen Arzt zu fragen, ob sie dir bekommen werden. Denn wie es dir ergangen ist, du liebe Güte!“
Sie saß gerade nähend an einem kleinen Tisch am Feuer und besetzte anläßlich ihrer Hochzeit ihr bescheidenes Kleid mit Borten. So still und glücklich, so blühend und voller Jugend, so voller verheißungsvoller Schönheit, daß er einen langen Schrei ausstieß, als wäre ein Engel in seinem Haus. Dann flog er auf sie zu, um sie in die Arme zu schließen.
Doch er blieb mit den Füßen an der Zeitung hängen, die auf den Rost gefallen war, und es kam jemand hereingestürzt und stellte sich zwischen sie.
„Nein!“ rief die Stimme desselben Jemand; eine volle und fröhliche Stimme war das. „Nicht einmal du. Der erste Kuß von Meg im neuen Jahr gehört mir. Mir! Ich habe eine ganze Stunde draußen vor der Tür gewartet, um die Glocken zu hören und ihn mir abzuholen. Meg, mein einziger Schatz, ein glückliches Jahr! Ein Leben lang glückliche Jahre, mein geliebtes Weib!“
Und Richard bedeckte sie mit Küssen.
Noch nie in Ihrem ganzen Leben haben Sie so etwas gesehen wie Trotty nach diesem Ereignis. Es ist mir egal, wo Sie gelebt haben oder was Sie gesehen haben. Sie haben noch nie in Ihrem ganzen Leben etwas gesehen, was diesem im geringsten gleichkommt. Er setzte sich auf seinen Stuhl, schlug sich auf die Knie und weinte; er setzte sich auf seinen Stuhl, schlug sich auf die Knie und lachte; er setzte sich auf seinen Stuhl, schlug sich auf die Knie und lachte und weinte gleichzeitig; er erhob sich vom Stuhl und liebkoste Meg; er erhob sich vom Stuhl und liebkoste Richard; er erhob sich vom Stuhl und liebkoste beide auf einmal; er rannte dauernd auf Meg zu, preßte ihr frisches Gesicht zwischen seine Hände und küßte es, ging rückwärts von ihr weg, um sie nicht aus den Augen zu verlieren, und rannte wieder auf sie zu, wie eine Gestalt in einer Laterna magica. Was immer er auch tat, er setzte sich ständig auf seinen Stuhl und hörte damit auch keinen einzigen Augenblick auf, da er das ist die Wahrheit! – vor Freude außer sich war.
„Und morgen ist dein Hochzeitstag, mein Liebling!“ rief Trotty. „Wirklich dein glücklicher Hochzeitstag!“
„Heute!“ rief Richard und schüttelte ihm die Hand. „Heute. Die Silvesterglocken läuten das neue Jahr ein. Hört sie euch an!“
Sie läuteten. Gesegnet seien ihre unbeugsamen Herzen, sie läuteten. Große Glocken waren es, melodiöse, tieftönende, edle Glocken, aus keinem gewöhnlichen Metall gegossen, von keinem
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