Alle Weihnachtserzählungen
vom Feuer genommen. Dann rannte Mrs. Peerybingle zur Tür, wo bald wegen des Räderrasselns eines Wagens, des Trampelns eines Pferdes, der Stimme eines Mannes, des Hinundherzerrens eines aufgeregten Hundes und des verblüffenden und geheimnisvollen Auftauchens eines Babys der Teufel los war.
Woher das Baby kam und wie Mrs. Peerybingle in dieser Blitzesschnelle zu ihm gelangt war, weiß ich nicht. Aber es lag ein lebendiges Baby in Mrs. Peerybingles Armen; und sie schien ziemlich stolz darauf zu sein, als sie von einem kräftigen Mann, der viel größer und viel älter als sie war und sich ein ordentliches Stück bücken mußte, um sie zu küssen, sanft ans Feuer gezogen wurde. Doch sie war dieser Mühe wert. Auch mit einsneunzig Körpergröße und Hexenschuß hätte es einer gewagt.
„Du meine Güte, John!“ sagte Mrs. Peerybingle. „In welchem Zustand bist du nur bei diesem Wetter!“
Er hatte etwas Schaden genommen, das war nicht abzustreiten. Der dicke Nebel hing in Klümpchen wie kristallisierter Tau in seinen Augenbrauen, und durch den Nebel und das Feuer entstanden in seinem Backenbart lauter Regenbogenfarben.
„Nun, siehst du, Pünktchen“, antwortete John langsam, als er den Schal von seinem Hals abwickelte und sich die Hände wärmte, „es ist nun mal nicht grade Sommerwetter. Also kein Wunder.“
„Ich wünschte, du nennst mich nicht Pünktchen, John. Ich habe es nicht gern“, sagte Mrs. Peerybingle, in einer Weise schmollend, die deutlich zeigte, daß sie es sogar sehr gern hatte.
„Nun, was bist du sonst?“ erwiderte John, schaute lächelnd auf sie hinab und umarmte ihre Taille so zart, wie das dieser großen Hand und dem Arm nur möglich waren. „Ein Pünktchen und …“ – hierbei warf er dem Baby einen Blick zu – „ein Pünktchen und trägt – ich werde es nicht sagen, aus Angst, ich würd’s mit dir verderben, aber ich war drauf und dran, einen Witz zu machen. Ich weiß nicht, wann ich schon mal näher dran gewesen wäre.“
Seiner Darstellung nach zu urteilen, war er oft nahe dran an irgend etwas sehr Gescheitem, dieser schwerfällige, langsame, ehrliche John; dieser John, der so plump, doch so sensibel war; der eine rauhe Schale, doch einen weichen Kern besaß; der nach außen ruhig, doch innerlich lebendig war; der so gleichgültig und doch so gütig war! O Mutter Natur, gib deinen Kindern die wahre Poesie des Herzens, die sich in der Brust dieses armen Fuhrmannes verbirgt – er war übrigens nur ein Fuhrmann –, und wir können es ertragen, ihre prosaische Sprache zu hören und ihr prosaisches Leben zu sehen, und können dich wegen ihrer Gesellschaft preisen.
Es war erfreulich, das kleine Pünktchen mit dem Baby auf dem Arm zu sehen – einer wahren Puppe von einem Baby; mit koketter Nachdenklichkeit blickte sie ins Feuer und neigte ihren niedlichen, kleinen Kopf gerade so zu einer Seite, daß er in einer seltsamen, halb natürlichen, halb gekünstelten, sich völlig anschmiegenden und gefälligen Haltung an der großen, robusten Gestalt des Fuhrmannes ruhte. Und es war erfreulich, ihn zu sehen: in seiner zärtlichen Unbeholfenheit und in dem Bemühen, sich in seiner derben, hilfsbereiten Art ihrer leichten Notlage anzunehmen und sein kräftiges „Mittelalter“ zu einem nicht ungeeigneten Halt für ihre erblühende Jugend zu machen. Es war erfreulich, zu beobachten, wie Tilly Slowboy, die im Hintergrund auf das Baby wartete, diese Gruppe genau betrachtete (obwohl sie erst knapp über zehn Jahre alt war), wie sie – Augen und Mund weit geöffnet – mit vorgeschobenem Kopf dastand und das Bild wie Luft in sich aufsog. Nicht weniger erfreulich war es, zu beobachten, wie John, der Fuhrmann, von Pünktchen auf das besagte Baby hingewiesen, seiner Hand Einhalt gebot, als diese das Kind gerade berühren wollte – so als ob er glaubte, daß er es zerbrechen könnte –, und es, indem er sich niederbeugte, aus sicherer Entfernung mit verlegenem Stolz musterte; ein gutmütiger Bullenbeißer hätte vermutlich eine ähnliche Miene gezeigt, wenn er sich eines Tages als Vater eines kleinen Kanarienvogels sähe.
„Ist er nicht schön, John? Sieht er im Schlaf nicht wunderbar aus?“
„Außerordentlich wunderbar“, sagte John. „Außerordentlich sogar. Er schläft wohl meistens?“
„Ach herrje, John! Du liebe Güte, nein!“
„Oh!“ sagte John nachdenklich. „Ich dachte, seine Augen sind meistens zu. – Kuckuck!“
„Meine Güte, John, wie du einen
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