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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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zurückgekehrt. Dann würde Jakob vorerst in die zweite Reihe rücken. Zumindest glaubt Juli
     das. Die alte Dame hat wenigerZeit vor sich und ist ein bisschen verwirrt. Da müsste man sich schnell kümmern, um noch etwas aus ihr herauszuholen. Juli
     weiß nicht genau, woher dieser Wunsch kommt, sich mit der Frau zu unterhalten. Sie will es einfach. Jakob ist jung, Svenja.
     Den finden wir auch morgen oder übermorgen, wenn wir es wollen. Oder in zwei Monaten. Da kannst du dann schon alles mit den
     Augen festhalten und mit Lallen und Lächeln antworten, wenn dich jemand anschaut. Wär doch gut für Jakob. Wenn du ihn gleich
     begrüßen könntest mit einem Lächeln.
    Der Park ist leer und weiß. Juli schiebt den Wagen zu dem kleinen Pavillon, der ein Restaurant ist. Sie öffnet die Tür und
     geht rein und sieht die Kellnerin hinterm Tresen stehen, als hätte die sich da seit Wochen nicht wegbewegt. Juli schiebt ein
     Lächeln rüber und setzt sich an einen Fenstertisch. Sie nimmt die Mütze ab und wickelt den Schal vom Hals und öffnet die Jacke
     und schaut in den Wagen, wo Svenja kaum zu sehen ist und schläft.
    Die Kellnerin freut sich, das Mädchen mit den grünen Haaren wiederzusehen. Sie nimmt eine Karte und geht an den Fenstertisch.
     Was ist es denn geworden?
    Ein Mädchen. Svenja. Jetzt schon mal drei Wochen alt. Fast. Sie ist von oben bis unten gesund. Sagt die Hebamme.
    Juli spürt ihren Stolz. Als wäre Svenja nur aus ihr entstanden, ihre völlig eigene Kreation. Die Kellnerin setzt sich an den
     Tisch und zieht den Wagen weiter zu sich ran, schaut auf das winzige Kind, das unterm dicken Federkissen verborgen ist. Wir
     müssten die Decke etwas hochnehmen. Hier drinnen ist’s zu warm.
    Juli nickt und schiebt das Kissen über den Wagenrand. Svenja schickt einen kleinen Seufzer in die Luft, und die Kellnerin
     lächelt.
    Sie mal an, keine grünen Haare.
    Juli denkt, dass dies hier eine Freundin sein könnte.Wenn sie nur will. Die müde Kellnerin hat ihr schon immer gefallen. Sie sieht aus wie die Hauptdarstellerin in diesem Film.
     »Sue« hieß der Film oder so ähnlich. Am Ende jedenfalls erfriert die Frau auf einer Parkbank. Juli glaubt, dass es so war
     in dem Film. Sie glaubt, dass sie geweint hat, als diese Sue tot auf der Parkbank saß. Und dass sie damals dachte, so einsam
     könne kein Mensch sein, dass er einfach auf einer Bank im Park erfriert und niemand fragt, wo er geblieben ist. Die Kellnerin
     schaut Juli an und will wissen, was sie trinken möchte.
    Einen Tee mit Milch. Grün oder Pfefferminz.
    Du solltest Fenchel nehmen, der soll milchbildend sein, hab ich gehört. Aber so was gibt’s hier nicht. Ich bring dir Pfefferminz.
     Wer weiß, ob grün nicht zu aufregend ist für das Kind. Du stillst doch, oder?
    Juli staunt. Hast du selbst Kinder, ja? Dass du das alles weißt.
    Nein, sagt die Kellnerin und wendet sich ab und geht Richtung Tresen. Ihre linke Wade ist etwas dicker als die rechte. Juli
     wundert sich über die Asymmetrie. Die hat sie noch nie wahrgenommen. Wenn sie es recht besieht, ist das linke Bein sogar viel
     dicker als das rechte.
    Die Kellnerin kommt mit einem dampfenden Glas Tee zurück und hat einen kleinen runden Keks auf den Tellerrand gelegt. Den
     nimmt Juli als Erstes, steckt ihn in den Mund und sieht plötzlich aus, als wäre sie erst dreizehn. Die Kellnerin lächelt und
     denkt, dann könnte die hier meine Tochter sein. Ich hätte ihr nicht verboten, die Haare grün zu färben. Auch wenn es blass
     macht.
    Haben Sie eine alte Dame gesehen, die ein wenig verwirrt ist und Geschichten erzählt?
    Juli hält kurz den Atem an. Es hätte so seine Logik, wenn die alte Dame hier mal gewesen wäre, bei der netten Kellnerin, die
     immer müde aussieht.
    Vor einer Woche war eine da, mit einem schönen alten Mann, der trug einen roten Schal und kümmerte sich um alles. Sind wohl
     verheiratet, die beiden, obwohl. Die Kellnerin geht zum Tresen, um sich eine Zigarette zu holen. Ich puste weg vom Kind, sagt
     sie zu Juli und zündet sich die Zigarette an. Der hat gesagt, es wär seine Frau, aber er wusste nicht, was sie am liebsten
     trinkt. Sie hatte so einen, so eine Art Aussetzer. War nicht hier und nicht anwesend. Musste gefüttert werden. Und dann, als
     hättest du einen Schalter umgelegt, ist sie wieder da gewesen. Da hat sie dann gesagt, sie wolle eine Schokolade, aber das
     hat der Alte nicht gewusst, vorher. Dass sie heiße Schokolade mag.
    Juli schaut auf den Mund

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