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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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wenn sie tot ist. Und wenn man nicht operiert, fragt sie hinterm Paravent und hört, wie
     der Arzt die Luft einzieht. Das sollten Sie gar nicht erst überlegen. Wenn nichts getan wird, geht es meist ganz schnell.
     Bis das Kind mit der Schule fertig ist, denkt Klara. Wenn ich so lange Zeit hätte, wäre das eine glückliche Fügung.
    Der Arzt schreibt Zettel aus und sagt ihr, als sie wieder vor ihm sitzt, wohin sie nun gehen muss, für all die Untersuchungen.
     Und wann sie dann wieder zu ihm kommen soll, um die Ergebnisse zu erfahren. Er legt seine altersfleckige warme Hand auf Klaras
     Finger und lächelt ihr ins Gesicht. Klara, sagt er und zieht den kurzen Namen ein wenig in die Länge. Sie dürfen jetzt nicht
     vor Angst vergehen.
    Dieser Satz kommt Klara ganz sonderbar vor, aber auch ein wenig tröstlich. Nein, sie wird nicht vor Angst vergehen. Jetzt
     ist es schon einfacher als in den vergangenen Tagen. Sie ist sich sicher, dass in ihrer Brust der Krebs sitzt. Und dass sie
     da nicht unbeschadet rauskommen wird. Gar nicht unbeschadet. Der arme Franz, denkt sie. Wo der doch Brüste so liebt. Da wird
     er sich eine andere Frau suchen müssen. Wenn ich es überlebe. Und wennich es nicht überlebe, auch. Sie überlässt ihre Finger der warmen Hand des Arztes und flüstert ihm verschwörerisch zu, dass
     dies wohl doch eine Strafe dafür sei, dass sie es mit dem Russen gemacht hätte.
    Unsinn, grollt der und fängt wieder an, Zettel zu schreiben. Wenn so unsere Strafen aussähen, hätten hier alle Krebs in diesem
     Land. Klara. Hör auf, dir solchen Quatsch einzureden. Der Russe ist auch nur ein Mensch auf zwei Beinen und mit einem Kopf
     zwischen den Schultern.
    Klara lacht und nimmt die Zettel und geht aus dem Sprechzimmer zu Franz, der dasitzt und auf die Wand guckt, als gäbe es etwas
     zu sehen. Sie sagt ihm, was getan werden muss und dass sie mit dem Schlimmsten rechnen sollten. Und sie sieht dem Franz an,
     dass er damit gerechnet hat und nun sogar ein wenig erleichtert ist. So, als läge das Schreckliche schon hinter ihnen. An
     diesem Abend sind sie beide ganz gelöst. Sie reden miteinander sogar über die Zukunft, als wäre alles ganz einfach. Franz
     sagt, dass er dem Mädchen Großes zutraue. Wie es sich da in der Schule mache, das sei ein Wunder. Jetzt schon könne es bis
     zwanzig mit den Zahlen jonglieren, und die Buchstaben schreibe es auch, dass sie sich zu ganzen Wörtern fügten. Klara fühlt
     sich getröstet. Wenn sie sterben muss, wird Franz mit dem Mädchen gut auskommen. Das will er ihr an diesem Abend sagen. Denkt
     Klara.
    Zwei Wochen später ist es besiegelt. In Klaras Brust hat sich der Krebs eingenistet. Ob er größer ist und gefräßiger, als
     es die zwei Knoten vermuten lassen, weiß man nicht. Das wird sich erst zeigen, wenn der Chirurg sein Werk getan hat. Klara
     bittet sich noch ein wenig Zeit aus. Sie will mit dem Kind und mit Franz noch ein paar gute Tage haben. Der alte Arzt hat
     genickt und gesagt, ein paar Tage seien in Ordnung. Aber sie solle es nicht auf die lange Bank schieben. Jeder Tag berge auch
     das Risiko,dass der Krebs wachse. Und Klara sei zu jung, um einfach so alles aufs Spiel zu setzen.
    Zu dritt fahren sie dann in die nahen Berge. Ein Zug bringt sie dorthin, und dann kommen sie noch ein Stück mit dem Bus weiter.
     Wenn ich den Krebs überlebe, sagt Klara zu Franz und zeigt mit unbestimmter Geste in einen dichten Wald. Dann bauen wir uns
     hier ein Häuschen. Für Urlaube und Wochenenden.
    Franz findet den Gedanken ganz verwegen. Aber auch nicht schlecht. Ein Häuschen, denkt er, wird Klara retten. Er schaut sich
     den Wald an und die hohen Fichten, die ein Geräusch machen im Wind, als wären sie das Meer. Wenn sie hier ein Häuschen bauen
     könnten, hätten sie das Meer in den Ohren und den Wald vor Augen. Davon würde Klara gewiss wieder ganz gesund werden.
    Lass uns ins nächste Dorf laufen, sagt Franz und lächelt seiner kranken Frau zu, die bald keine Brust mehr haben wird. Wir
     fragen einfach.
    Im Dorf finden sie tatsächlich den Bürgermeister. Der sitzt in seinem kleinen, mit Schiefer verkleideten Haus und hat sich
     unten ein Bürgermeisterbüro eingerichtet. Von hier aus regiert er die Welt ringsum. Franz führt das Wort und schickt Klara
     und das Mädchen nach fünf Minuten raus. Du wolltest dir doch das Dorf anschauen, sagt er und zwinkert mit dem linken Auge,
     so dass Klara versteht. Hier soll es ein Gespräch unter Männern geben.
    Eine

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