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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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halbe Stunde später kommt Franz raus und sieht glücklich aus. Ich habe ihm gesagt, dass du bald einen richtigen Erfolg
     brauchen wirst, um wieder gesund zu werden. Man kann da oben, wo wir gestanden haben, ein Grundstück pachten. Sie machen eine
     kleine Siedlung auf. Datschen. Urlaubshäuschen. Ich bin jetzt auf der Liste, Klara. Ganz oben, weil der Bürgermeister mich
     sympathisch findet und weil wir beide in der Partei sind.
    Was hat das mit der Partei zu tun, fragt Klara und schaut ganz verwundert, als wisse sie nicht, wie die Dinge so laufen.
    Die werden natürlich bevorzugt, sagt Franz etwas beleidigt, als müsse sie das nun immer im Kopf haben. Schließlich arbeiten
     wir hart für diesen Staat, und da ist ein bisschen Urlaub hin und wieder, in der eigenen Datsche, so was wie eine Belohnung.
    Klara findet es richtig und falsch. Wenn ich den Krebs überlebe, denkt sie, habe ich mir sowieso eine Datsche verdient. Mit
     und ohne Partei. Der Krebs ist schließlich mein zweiter Krieg. Vielleicht sogar noch schlimmer.
    ***
    Es klopft an der Tür. Drei Mal klopft es.
    Herein, sagt Klara und schiebt den Unterkiefer wieder zurecht. Der verrutscht beim Nachdenken immer. Aaron sieht fein aus
     in seinen Sachen. Fein für den Ausgang, denkt Klara und überlegt, worüber sie sich vorhin noch solche Sorgen gemacht hat.
     Sie steht auf, geht zu ihm und küsst ihn leicht auf den Mund. So gut haben sie es beide mittlerweile, dass sie sich auf den
     Mund küssen können und Hand in Hand durch den Park laufen. Aaron legt seine Hände auf ihre Hüften, die noch einen ganz guten
     Schwung haben, und schaut ihr über die Schulter.
    Ich finde diese Gardinen auch ziemlich hässlich. Die Idee mit dem Abschneiden ist gar nicht so schlecht. Mal schauen, ob es
     dafür Ärger oder Lob gibt.
    Nun weiß es Klara also wieder. Sie dreht sich weg von Aaron, schaut auf die Gardinen und fängt gleich wieder an zu weinen.
     Aaron schiebt sie zum Schrank, holt den Mantel raus und einen seidigen bunten Schal. Meine Schwester, plaudert er dabei, hat
     alles mit einer großen Schere zerschnitten,was ihr in die Finger kam. Wenn sie wütend war. Sie war andauernd wütend. Wir haben überhaupt nicht verstanden, wie ein kleines,
     süßes, blondlockiges Mädchen ständig wütend sein kann. Sie war sogar noch wütend, als man sie abgeholt hat. Nicht ängstlich
     und nicht verzweifelt. Wütend. Das hat ihr wahrscheinlich viel erspart. Sie werden sie als eine der Ersten ins Gas geschickt
     haben.
    Klara steht still vor dem Schrank und vermutet, dass sie sich jetzt nicht bewegen sollte. Wenn Aaron schon einmal redet. Von
     seiner Familie. Nur um sie zu trösten, redet er von den Toten. Klara denkt, dass er sie liebt. Sonst täte er das nicht. Von
     den Toten sprechen. Sie steht still vor dem Schrank, schaut auf die ordentlich gestapelten Westen und Pullover und wartet
     auf die nächsten Sätze. Aber es kommen keine mehr. Aaron dreht sie weg vom Schrank und bringt Schwung in den Seidenschal,
     schlingt ihn ihr zweimal um den Hals. Du bist eine geile Alte, sagt er und grinst, als hätte jetzt er den Verstand verloren.
    Klara zieht ihren Mantel aus und Aaron zum Bett und drapiert ihn neben sich, als hätte sie einen Plan. Sie nimmt seine Hand
     und legt sie auf ihren Oberschenkel und sagt: Wenn ich die Bluse anlasse, was meinst du, Aaron? Mein Hintern und die Oberschenkel
     machen noch was her, und manchmal, wenn ich dich so anschaue, denke ich, bei dir ist es auch nicht ganz vorbei. Sie kichert
     und wickelt den Seidenschal um ihre Finger.
    Da sitzen sie. Zwei geile Alte, die wahrscheinlich überhaupt nicht mehr können. Klara hätte nicht geglaubt, dass sie sich
     zu solchen Schweinereien hinreißen lassen könnte. Nicht, dass es das hier im Heim nicht gäbe. Manche verlernen es nie. Wenn
     Klara hin und wieder eine Pflegerin mit angeekeltem Gesichtsausdruck aus einem Zimmer kommen sieht, dann weiß sie, es ist
     nicht wegen vollgeschissener Windeln. Sie hat schon oft gehört, wiedas Personal darüber redet. Ihr würde es auch nicht gefallen. Da ist sie sich sicher. Aber wenn die Türen nicht abschließbar
     sind und es einen überkommt, dass man wissen möchte, ob man noch lebt oder schon tot ist. Dafür gibt es offensichtlich keinen
     Plan. Anfassen ist hier nicht verboten, aber auch nicht richtig erlaubt.
    Aaron sitzt ganz still und sagt noch immer kein Wort. Seine Finger drücken und tasten sanft auf Klaras Oberschenkel rum. Er
     schaut sie an, die

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