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Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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zurück. »Was sollte ich denn schon anstellen? Bin ja schon tot.«
    »Auch wieder wahr. Samuel, machst du mir eine Meeresbrise, bitte? Und für dich wieder Kokos-Vanille?«, erkundigt er sich, doch ich schüttele vehement den Kopf.
    »Nein, nie wieder.«
    »Okay.« Er sieht mich verwundert an, sagt aber weiter nichts. Stumm sitzen wir nebeneinander, ab und zu weht ein Hauch von Meeresluft zu mir herüber, aber
auch die macht mich tieftraurig. Michael und ich sind so gerne am Meer spazieren gegangen. Irgendwann bricht mein Nachbar das Schweigen.
    »Wie geht es dir denn mit der Sache?« Was für eine blöde Frage.
    »Wie soll es mir damit schon gehen? Beschissen natürlich.«
    »Natürlich.« Er nickt verständnisvoll. »Hast du eine Idee, warum der Chef ausgerechnet dir diesen Auftrag …?« Er kann die Frage nicht zu Ende stellen, da wirbele ich schon auf meinem Barhocker zu ihm herum.
    »Ob ich dazu eine Idee habe?«, fauche ich. »Nun, anscheinend hat dem Herrn mein Ton nicht gefallen, den ich in den letzten einhundertsiebenunddreißig Briefen ihm gegenüber angeschlagen habe. Nicht dass ich nicht vorher ungefähr dreihundertmal höflich um eine Audienz bei ihm gebeten hätte, ohne auch nur die kleinste Reaktion auf dieses Anliegen von ihm zu bekommen. Es ist ja nun nicht so, dass ich ihn einfach so ohne Grund einen sadistischen Mistkerl genannt habe.«
    »Du hast was?« Entsetzt sieht Thomas mich an und auch Samuel, der scheinbar desinteressiert gegen den Tresen gelehnt steht, stößt einen erschrockenen Laut aus.
    »Äääh«, mache ich und werde mit einem Mal ganz kleinlaut.
    »Das hast du ihm wirklich geschrieben?«, flüstert Thomas mit weit aufgerissenen Augen und ich nicke beschämt.
    »Ich war einfach so wütend, weißt du«, versuche ich mich zu rechtfertigen, »und es war doch auch gar nicht
so gemeint. Ich wollte doch bloß endlich eine Reaktion von ihm.«
    »Na, die hast du ja jetzt«, meint Thomas trocken.
    »Du meinst also auch, dass das eine Strafe für mich sein soll?«, frage ich bedrückt.
    »Sieht ganz so aus.«
    »Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht. So steht es im Tanach«, mischt sich Samuel in unser Gespräch ein.
    »Hä?«
    »Das ist die hebräische Bibel des Judentums.«
    »Aha«, sage ich unbehaglich. »Was du alles weißt.«
    »Ich war jüdischer Geistlicher«, meint er achselzuckend und ich sehe ihn überrascht an. Das wusste ich ja gar nicht. Bei mir denke ich, dass es eine schöne Sache ist, dass die unterschiedlichen Religionen hier oben so friedlich miteinander leben. Könnte da nicht mal einer denen unten erklären, wie das geht? Aber im Moment habe ich leider andere Sorgen.
    »Was steht denn da genau drin?«, frage ich ahnungsvoll und er zitiert: »Wer seinen Namen lästert, der soll des Todes sterben; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen. Ob Fremdling oder Einheimischer, wer den Namen lästert, soll sterben.« Fassungslos sehe ich ihn an. Wie brutal ist das denn bitteschön?
    »Und wenn er schon tot ist, dann soll der sterben, den er am meisten liebt?«, frage ich entsetzt.
    »Davon steht dort nichts.«
    »Mein Go…«, beginne ich, kann mich aber gerade noch rechtzeitig beherrschen. »Meine Güte, wollte ich sagen, das ist doch total unfair«, sage ich weinerlich,
»was kann denn Michael dafür? Wieso wird denn er bestraft? Jetzt hat er nur noch vier Tage zu leben und ich bin schuld daran. Und ich muss auch noch sein Todesengel sein.« Aufstöhnend lasse ich den Kopf auf die Tischplatte vor mir fallen, aber der ersehnte Schmerz bleibt natürlich aus. Ich knalle noch einige Male mit voller Wucht die Stirn gegen das massive Holz, dann gebe ich auf und bleibe einfach zusammengesunken sitzen.
    »Das ist echt hart«, gibt Thomas zu und ich kann mal wieder spüren, wie sehr er sich danach sehnt, mich in die Arme zu schließen. Oder mir wenigstens mit der Hand tröstend über die Haare zu streicheln. Ja, jetzt streckt er sie tatsächlich aus und lässt sie über meinem Haupt schweben, bewegt sie hin und her. Das ist skurril, aber irgendwie auch nett von ihm. Ich versuche ein zartes Lächeln, das zwar gründlich misslingt, aber darauf kommt es auch nicht an. Ich fühle mich nicht mehr ganz so allein und mutlos. Vielleicht ist doch noch nicht alles verloren. Entschlossen hebe ich den Kopf und sage: »So schnell lasse ich mich nicht kleinkriegen. Ich gehe jetzt zum Chef.«
    »Was?«

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