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Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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Zwei Augenpaare, ein braunes und ein grünes, sehen mich voller Entsetzen an. »Aber«, stammelt Thomas, der ganz blass um die Nase geworden ist, hilflos, »niemand darf zum Chef. Ich kenne keinen, der ihn leibhaftig zu Gesicht bekommen hat. Manche haben seine Stimme gehört, aber …«
    »Das ist mir doch egal«, unterbreche ich ihn ungeduldig, denn schließlich höre ich diese Geschichte nicht zum ersten Mal. Thomas hat mir das jedes Mal erzählt, wenn ich Paula mit einer Nachricht an Gott weggeschickt hatte. Dass ich mir nicht zu große Hoffnungen
auf ein Treffen machen soll, weil eben der Herr niemanden zu sehen wünscht. Aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht mehr nehmen.
    »Was willst du ihm denn sagen?«
    »Dass … dass …«, ich komme ins Stocken und sage schnell: »Das überlege ich mir auf dem Weg. Jetzt muss ich los, ich habe nur noch vier Tage Zeit, um Michaels Leben zu retten.« Die Vorstellung, seinen Tod möglicherweise doch noch verhindern zu können, überwältigt mich vollkommen. Wieso nur bin ich da nicht früher drauf gekommen? Ich werde einfach zum Chef gehen und mich bei ihm für meinen rüden Ton entschuldigen. Ganz ernst gemeint. Bestimmt wird er mir vergeben, darin soll er schließlich ganz groß sein. Und dann werden wir die Sache vernünftig besprechen. Er wird einsehen, dass Michael nun, da ich meinen Fehler eingesehen habe, nicht sterben muss. Ich habe das sichere Gefühl, dass meine Mission erfolgreich verlaufen wird, und springe voller Elan von meinem Barhocker herunter. Ich bin schon halb aus der Tür, als mir noch etwas einfällt und ich mich den beiden mir verdutzt hinterher schauenden Männern noch mal zuwende: »Da fällt mir ein, weißt du zufällig seine Anschrift?«
    »Seine Anschrift«, echot Thomas ungläubig. »Nein.«
    »Du, Samuel?« Doch auch der schüttelt den Kopf. Ratlos sehe ich die beiden an, fühle mich in meinem Enthusiasmus ausgebremst. »Okay, wisst ihr denn jemanden, den ich danach fragen könnte?«, frage ich ungeduldig. Muss man denen denn alles aus der Nase ziehen? Wieder ein doppeltes Kopfschütteln.
    »Was meinst du, was vor seinem Haus los wäre, wenn er eine öffentlich bekannte Adresse hätte? Dagegen
schiebt dieser Brad Pitt da unten’ne ruhige Kugel«, erklärt Samuel und grinst Beifall heischend. Ja, sehr lustig. Ich bin nur leider gerade nicht zu Scherzen aufgelegt.
    »Ihr habt also keine Ahnung? Na gut, dann muss ich mir was einfallen lassen.«
     
    In Gedanken versunken laufe ich durch die Abenddämmerung nach Hause. Die Sonne verschwindet gerade hinter dem Horizont und taucht die Wolken in tieforanges Licht. Der Weg vor mir schimmert wie ein Strom aus glühender Lava, aber ich habe jetzt kein Auge für die Schönheit der Natur. Wie komme ich an Gott heran? Und das innerhalb der nächsten vier Tage? Der Postweg scheidet aus, das hat mich in den letzten sechs Jahren schließlich nicht einmal in seine Nähe gebracht. In diesem Moment fällt mir Paula ein. Genau, das ist doch die Idee! Ich gebe ihr einen Brief an den Chef, dann folge ich ihr unauffällig und schon bin ich da. So schnell ich kann, laufe ich nach Hause. Im zweiten Stock meines Hauses sitzt Omi Liesel auf der breiten Fensterbank und betrachtet den Sonnenuntergang. Als sie mich erkennt, beginnt sie wild mit den Armen zu rudern und mir ein Dutzend Kusshände entgegenzuwerfen. Überrascht sehe ich zu ihr herauf.
    »Schätzchen, Lena, da bist du ja. Wusstest du, dass die Wohnung über dir schon seit Jahren leer steht? Ist das nicht ein glücklicher Zufall? Jetzt sind wir Nachbarn. Komm hoch, von hier hat man einen traumhaften Ausblick. Schau doch bloß mal, diese Farben«, ruft sie begeistert aus und zeigt in den Himmel.
    »Ja, habe ich gesehen«, nicke ich.

    »Komm rauf zu mir, dann plaudern wir ein bisschen«, fordert sie mich auf und ich schüttele den Kopf.
    »Tut mir leid, ich hab zu tun.«
    »Aber …«
    »Sei nicht böse, es ist wirklich wichtig. Bis morgen.« Damit öffne ich schnell die Wohnungstür und trete ein. »Paula«, rufe ich gleich darauf halblaut aus dem geöffneten Fenster, das nach hinten hinauszeigt. »Paula?« Ungeduldig sehe ich hoch in den dämmerigen Himmel, kann aber nirgendwo eine weiße Taube entdecken. »Paula«, wiederhole ich lauter, »bitte komm doch zu mir.« Gerade will ich die Hoffnung schon aufgeben, als ich in weiter Ferne einen Fleck erkennen kann, der langsam näher kommt. Gleichzeitig klopft es an meiner Tür.
    »Es ist offen«, rufe ich und

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