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Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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nicht öffnen? Ich höre, wie mein Herzschlag sich beschleunigt. Nicht gravierend, aber immerhin. Wenn man tagein, tagaus die eigenen Herztöne belauscht, fällt einem jede noch so geringe Veränderung auf. »Sie können mich verstehen, ich weiß«, sagt Klara und ich spüre wieder ihre raue Handfläche auf meinem Arm. Sie hat es also auch gemerkt. Während sie sich an meinem Bett zu schaffen macht, stelle ich mir vor, wie sie aussieht. Ihre Stimme ist außergewöhnlich, irgendwie tief und verrucht. Wahrscheinlich hat sie feuerrotes Haar und eine kurvige Venusfigur. »Tun Sie mir einen Gefallen«, redet sie weiter und hält kurz in ihrer Bewegung inne, »wachen Sie heute auf. Wäre das nicht eine wundervolle Überraschung für Ihren Mann, wenn er Sie diesen Abend besuchen kommt?« Mein Herz klopft noch schneller. »Er sieht wirklich sehr gut aus.« Oh ja, ich weiß! »Möchten Sie noch eine Folge ›Drei Fragezeichen‹ hören?«, fragt sie und hält kurz inne, als würde sie tatsächlich auf eine Antwort warten. Als würde sie daran glauben. Ich konzentriere meine Gedanken darauf, ihr mitzuteilen, dass das eine wirklich ausgezeichnete Idee wäre. Und ich bilde mir ein, dass sie mich versteht. »Ich werte das mal als Ja!« Ich sehe sie förmlich vor mir, wie sie lächelt. Strahlend weiße Zähne in einem breiten Mund. Ich höre, wie die Zähne eines Reißverschlusses sich voneinander lösen,
als sie die CD-Sammlung auf meinem Beistelltisch öffnet. Das Rascheln von Plastik. »Der Mann ohne Kopf«, liest sie vor. »Das klingt aber gruselig. Wollen Sie die?« Wieder diese kleine Pause. Ja, die kenne ich noch nicht, antworte ich stumm. Sie nimmt die CD aus ihrer Hülle, öffnet meinen Discman, steckt mir die Kopfhörer in die Ohren. »Viel Spaß damit und bis später«, sagt sie noch, bevor die vertraute Melodie einsetzt. Konzentriert lausche ich den Abenteuern von Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews, die vor meinem inneren Auge zum Leben erwachen. Merkwürdig. Nun höre ich die »Drei Fragezeichen« schon, seit ich ungefähr zehn bin, aber ich hatte niemals eine Vorstellung davon, wie sie aussehen. Seit ich hier liege und meine Außenwelt vorwiegend durch mein Gehör wahrnehme, hat sich das geändert. Meine Augen sind geschlossen, aber ich sehe dennoch alles deutlich vor mir. Nach einer knappen Stunde ist das Hörspiel beendet und damit auch meine Flucht aus der Realität. Nun bin ich wieder alleine mit mir und meinen Herztönen. Einen ganzen, endlosen Tag lang. Meine Gedanken fliegen zu jenem schicksalsträchtigen Tag vor drei Monaten, an dem ich mit dem Jeep zusammengestoßen bin. Fliegen zu Michael, der mich seither jeden Tag hier im Krankenhaus besucht hat. Der an meinem Bett sitzt, stundenlang meine Hand hält und zu mir spricht, mir von seinem Tag erzählt und nie vergisst, mir, wenn er geht, noch eine Drei-Fragezeichen-Folge anzustellen. »Die höre ich heute Abend auch«, sagt er dann und küsst meine Lippen. »Das ist fast, als würden wir gemeinsam einschlafen. So wie immer.« Das ist jeden Tag der Moment, der mir am schwersten fällt. Ich mobilisiere dann meine ganze Willenskraft, um endlich meine
verdammten Augen zu öffnen. Um die Arme zu heben und um seinen Hals zu schlingen. Wohl tausendmal habe ich mir ausgemalt, auf genau diese Art und Weise aufzuwachen. In diesem Augenblick. Ihn zu mir aufs Bett zu ziehen, seinen Kuss leidenschaftlich zu erwidern. Das wäre doch filmreif, oder? Mittlerweile bin ich nicht mehr so anspruchsvoll. Inzwischen habe ich nämlich begriffen, dass es nicht so einfach ist mit dem Aufwachen. Ob nun morgens oder abends, mit Michael im Zimmer oder nicht, ist mir mittlerweile fast schon egal. Nur aufwachen, mehr will ich gar nicht. Aber auch heute will es mir einfach nicht gelingen. Der Tag geht vorüber, um fünf Uhr rollt auf dem Flur klappernd der Wagen mit den Abendbrottabletts vorbei.
    »Es ist fünf Uhr, was erzählen Sie mir hier von Abendbrot?«, klingt die meckernde Stimme von unten zu mir herauf. »Um diese Uhrzeit trinke ich zu Hause meinen Kaffee.«
    »Dann lassen Sie das Tablett eben stehen, bis Sie Hunger haben«, antwortet Schwester Carmen friedfertig. »Guten Appetit, Herr Lustig.«
    »Mein Name ist Ernst«, kommt es entrüstet zurück.
    »Verzeihung. Mein Fehler!« Die Tür schlägt zu. Wie gerne würde ich jetzt richtig laut loslachen. Und danach würde ich zu Herrn Ernst hinunterlaufen und ihm sein Abendbrot klauen. Mir wäre es nämlich vollkommen egal, wie

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