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Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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fest. Das Rauschen in meinen Ohren wird immer lauter, Sternchen explodieren vor meinen Augen und dann ist plötzlich alles vorbei. Ich stehe vor einer einfachen Holztüre, aus der sogar vereinzelte Splitter hervorstehen. Verwirrt starre ich darauf. Alles habe ich hier oben erwartet, noch mehr Prunk, noch mehr Gold, aber sicher nicht das. Vorsichtig lege ich meine Hand auf das unbearbeitete Holz, spüre seine raue Struktur und rieche seinen Duft nach Wald und Natur. Zaghaft klopfe ich an, doch es ertönt nur ein leises Pochen, dann ist alles wieder still. Na ja, was soll’s, die Chefin weiß doch bestimmt schon längst, dass ich hier draußen bin. Oder? Entschlossen drücke ich die Türklinke hinunter. Ein ohrenbetäubender Lärm empfängt mich. Über mir nichts als strahlend blauer Himmel, meine Füße berühren ein undefinierbares Material. Es fühlt sich an wie kurz geschnittenes Gras, warm von einem schönen Sommertag, aber auch wie feiner, weißer Sand, wie kühler Marmor. Alles in einem. Um mich herum tausende und abertausende von Stimmen, die sich gegenseitig überlappen, überschreien. Entsetzt
presse ich die Hände auf meine Ohren, doch da dies den Lautstärkepegel kein bisschen verringert, lasse ich sie wieder sinken. In der Mitte des Raumes sitzt eine Frau in einem großen, mit dunkelrotem Samt bezogenen Sessel und sieht mir mit undurchdringlicher Miene entgegen. Sie scheint von der unfreiwilligen Audienz alles andere als begeistert. Zögernd trete ich näher und hebe ein wenig verlegen die Hand.
    »Äh, hallo«, sage ich, doch der Lärm ringsum verschluckt meine Stimme. Ich bleibe stehen und lausche angestrengt.
    »Führe uns nicht in Versuchung«, schnappe ich auf, und »Vergib uns unsere Schuld«.
    »Entschuldigung, dass ich hier so reinplatze«, rufe ich so laut ich kann, aber ihr Gesicht zeigt keine Regung. Ich lege meine Hände wie einen Trichter um den Mund und versuche es erneut: »Mein Name ist Lena Kaefert. Es geht um meinen Mann Michael!«, brülle ich aus Leibeskräften, aber es ist zwecklos.
    »Erlöse uns von dem Bösen«, schallt es auf mich herunter, »Bitte für uns Sünder«. Die Gebetsfetzen bilden einen schier undurchdringlichen Geräuschpegel, gegen den ich machtlos bin. Ich gebe meine Versuche auf und stehe eine ganze Weile einfach da, Auge in Auge mit der Chefin. Keiner von uns spricht ein Wort. Irgendwie habe ich sie mir anders vorgestellt. In meinem Kopf suche ich nach Worten, um die Person, die da vor mir sitzt, zu beschreiben, aber sie entgleiten mir immer wieder. Nichts scheint zu passen. Sie ist … Es sieht aus, als ob sie … In diesem Moment greift sie nach einem schmalen, schwarzen Gegenstand auf ihrer Armlehne und hält ihn in die Höhe. Der nervenzerfetzende Lärm
um uns herum ebbt ab und ist schließlich nur noch ein schwaches Gemurmel. Ah, so eine Art Fernbedienung. Wie praktisch! Das ist doch wohl eine Einladung, dass sie sich mit mir unterhalten will, oder? Ich gehe einen weiteren Schritt auf sie zu und mustere sie neugierig von Kopf bis Fuß. Irgendwie ist sie … ja, wie eigentlich?
    »Gib dir keine Mühe«, unterbricht sie meine Gedanken und ich zucke ertappt zusammen. »Was willst du?«
    »Mein Name ist Lena Kae ….«
    »Das weiß ich. Und?«
    »Entschuldigung, ich wollte hier nicht einfach so reinplatzen«, beeile ich mich zu sagen.
    »Wenn du es nicht gewollt hättest, dann hättest du eben nicht hereinkommen sollen«, versetzt sie knapp. »Ich denke, dir war klar, dass es verboten ist, mich zu besuchen.«
    »Schon, aber …«
    »Du hast es trotzdem getan, nun leb damit. Die Worte ›Vergib uns unsere Schuld‹ und ›Ich armer Sünder‹ habe ich einfach schon zu oft gehört.« Sie klingt irgendwie müde und erschöpft. »Also, was willst du?« Jetzt hat sie mich zugegebenermaßen aus dem Konzept gebracht. Ich verwerfe den Plan, mich bei ihr dafür zu entschuldigen, dass ich sie einen sadistischen Mistkerl genannt habe. Denn zum einen ist sie gar kein Kerl und zum anderen ganz offensichtlich nicht in der Stimmung, mir Absolution für meine Sünden zu erteilen. Darum konzentriere ich mich auf mein eigentliches Anliegen und nestele den silbernen Auftragsumschlag aus meiner Hosentasche. Von der langen Wanderung und der Rutschpartie auf dem Regenbogen ist er ein bisschen zerknittert
und ich bemühe mich, ihn halbwegs zu glätten, bevor ich ihn ihr entgegenstrecke.
    »Ich habe diesen Auftrag von Ihnen bekommen«, sage ich mit zittriger Stimme, »das ist mein

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