Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
Vom Netzwerk:
er, sich neben mich setzend. »Verrückt.« Damit hält er mir einen der beiden Smells, die er trägt, hin.
    »Ich möchte wirklich nicht«, beteuere ich und er stellt ihn neben meinen Füßen ab.
    »Vielleicht überlegst du es dir ja noch. Ist wirklich ganz harmlos. Es gibt nämlich durchaus Smells, die keine bösen Erinnerungen heraufbeschwören.« Er nimmt einen Zug aus seinem und lehnt sich entspannt zurück.
    »Ach ja?« Zweifelnd sehe ich ihn an. »Was hast du denn da?«
    »Bier.«
    »Bier?« Er nickt.
    »Klar, warum nicht? Samuel findet es natürlich stinklangweilig, aber mir gefällt’s. Ich will meinen Feierabend genießen, nicht mich an längst vergangene Zeiten erinnern. Da muss man ja schwermütig werden.« Ich nicke langsam. Da hat er schon irgendwie Recht.

    »Und was ist das hier?«, erkundige ich mich und greife nach meinem Smell.
    »Heiße Milch mit Honig. Du wirkst angespannt.« Heiße Milch mit Honig. Er hat Recht, damit kann eigentlich nichts schiefgehen. Also nehme ich vorsichtig einen Zug. Wärme durchströmt mich.
    »Nicht schlecht«, gebe ich zu.
    »Aber besonders gut siehst du immer noch nicht aus.« Besorgt mustert er mich von der Seite. »Wie geht’s dir denn mittlerweile mit der Sache?«
    »Ich war heute bei Gott, aber sie … ich meine, er will mir nicht helfen«, platze ich damit heraus. Es gibt einen lauten Knall und der Flakon in Thomas’ Hand zerspringt in tausend Scherben.
    »Du warst wirklich dort?«, fragt er aufgeregt, ohne sich um das Glas zu kümmern. Ich nicke bedrückt und erzähle ihm die ganze Geschichte. Nur dass Gott eine Frau ist, lasse ich unerwähnt.
    »Das tut mir ehrlich leid«, sagt Thomas, nachdem ich geendet habe.
    »Sieht so aus, als bliebe mir nichts anderes übrig, als Michael abzuholen«, sage ich trübsinnig und starre in den Himmel, an dem sich die schwarze Wolkenwand ein wenig aufzulockern beginnt. Zumindest blitzt hier und da wieder ein kleines Sternlein hervor. »Wenn er doch wenigstens wüsste, dass er nur noch ein paar Tage zu leben hat. Ich hätte es damals gerne gewusst. Du nicht?«
    »Die Ärzte haben mir gesagt, zwischen drei und sechs Monaten. Lungenkrebs«, erklärt er, als ich ihn betroffen ansehe.
    »Das wusste ich ja gar nicht«, sage ich leise und schäme mich ein bisschen dafür. Schließlich kennt Thomas
meine gesamte Lebens- und Sterbensgeschichte in- und auswendig, während ich so gut wie gar nichts über ihn weiß.
    »Ich habe zwei Schachteln am Tag geraucht«, fährt er kopfschüttelnd fort. »Ich hoffe, in meinem nächsten Leben werde ich schlauer sein. Aber wer weiß, wie oft ich schon an Lungenkrebs gestorben bin, ohne etwas dazuzulernen? Manchmal wäre es doch ganz gut, sich an seine früheren Leben erinnern zu können. Na ja, jedenfalls hatte ich dann doch noch ganze zwölf Monate. Besonders schön waren die aber nicht«, sinniert er vor sich hin und schaudert angesichts der Erinnerung. »Aber du hast schon Recht, immerhin konnte ich mich von allen verabschieden. Und ihnen sagen, wie lieb ich sie habe.« Ich nicke. Das hätte ich Michael auch noch gerne gesagt.
    »Wie alt warst du?«
    »Vierundfünfzig.«
    »Und … deine Frau, ich meine …?«
    »Geschieden«, meint er achselzuckend. »Aber ich hatte zwei tolle Kinder«, fährt er fort und ein Lächeln umspielt dabei seine Lippen. »Maria und Emma.«
    »Wow, das wusste ich nicht«, sage ich erneut.
    »Tolle Mädchen. Ja, insgesamt war es ein schönes Leben. Wenn auch ohne eine ganz große Liebe.« Wehmütig lächelt er mich an und ich lächele unsicher zurück.
     
    »Was für ein Mann dieser Samuel ist«, schwärmt Liesel, als wir uns Stunden später gemeinsam auf den Heimweg machen. »So kreativ und so intelligent und sensibel und …«
    »Fändest du ihn auch so toll, wenn du nichts über seine
Vergangenheit wüsstest?«, frage ich sarkastisch und sie nickt voller Überzeugung.
    »Aber natürlich. Es ist doch alles in ihm drin. Hast du das denn immer noch nicht verstanden? Wir Seelen sind das Produkt unserer einzelnen Leben, wir lernen und wachsen und …«
    »Das habe ich verstanden«, unterbreche ich sie unwirsch, gerade, als wir vor unserem Haus angekommen sind. »Was ich überhaupt nicht verstehen kann, ist, wie du behaupten kannst, Opa zu lieben, und gleichzeitig hier oben mit jemandem anderen rumflirtest.«
    »Du hast leicht reden«, sagt sie und sieht mich verletzt an, »du musst ja auch nur noch drei Tage warten, bis du wieder mit Michael zusammen bist.« Damit dreht

Weitere Kostenlose Bücher