Allein auf Wolke Sieben
getrocknete Bettwäsche, und eine Spur von Salz, wie...«, sie öffnet die Augen und sieht ihn an, »wie ein Schweißtropfen, der den Nacken hinunterrinnt. Valentinstag«, jubelt Liesel, »deine neue Kreation heißt Valentinstag.« Samuel nickt, strahlend sehen die beiden einander an. »Hier, probier mal!« Anscheinend haben sie nun doch bemerkt, dass sie nicht alleine sind. Ich lehne dankend ab. »Aber es ist wunderbar«, nötigt Liesel mich und hält mir den Flakon unter die Nase.
»Mach den Deckel drauf«, sage ich und halte den Atem an. Mir ist überhaupt nicht nach Valentinstag. Wenn ich an Rosen, Champagner, Pralinen und schweißtreibenden Sex denke, erinnert mich das an Michael, und an den will ich gerade einfach nicht denken.
»Natürlich, entschuldige«, sagt Liesel denn auch und verschließt den Flakon wieder fest. »Wundervoll«, wendet sie sich dann wieder an unseren Barkeeper, »den solltest du sofort in die Karte aufnehmen.« Er schüttelt den Kopf.
»Nein, der ist nur für dich. Du kannst ihn jederzeit bekommen. Aufs Haus natürlich!« Ich glaube, mir wird schlecht. Liesels Aura färbt sich dunkelrosa, während meine wahrscheinlich gerade ins Graugrünliche übergeht.
»Danke«, haucht sie. Ich glaube, ich werde hier nicht mehr gebraucht. Gerade will ich aufstehen und unauffällig verschwinden, als mich jemand von hinten anspricht.
»Lena, wie schön, dich zu sehen!« Ich wende mich um und sehe in Thomas’ freundliche grüne Augen.
»Dich auch«, sage ich erschöpft lächelnd und meine es genau so. Endlich bin ich nicht mehr alleine mit den Turteltäubchen.
»Was geht denn da ab?«, erkundigt sich Thomas da auch schon grinsend und ich zucke mit den Achseln.
»Was wohl? Sie feiern gemeinsam Valentinstag.« Ohne auf seinen verständnislosen Blick einzugehen, rutsche ich von meinem Barhocker hinunter und sage: »Mir wird echt schlecht von dem kalten Duftmix hier in der Luft. Hast du Lust, ein bisschen rauszugehen?« Ein wenig unschlüssig wiegt er den Kopf hin und her.
»Meinst du wirklich? Es war heute den ganzen Tag sehr ungemütlich.«
»Äh, ja, stimmt«, sage ich unbehaglich, weil das schlechte Wetter ja auf meine Kappe geht. »Könnten wir trotzdem? Mir geht’s echt nicht gut.« Flehend sehe ich ihn an und er willigt sofort ein.
»Na klar, komm. So ein bisschen Nieselregen wird uns schon nicht umbringen.«
»Haha«, sage ich pflichtschuldig und gehe vorneweg zur Tür.
Gemeinsam treten wir auf die Terrasse des »Sternenfängers«, die direkt an einem aufgetürmten Wolkenberg gelegen ist und auf der es normalerweise von Gästen wimmelt. Aber heute lümmelt nicht eine einzige Seele auf den flauschigen, buntgefärbten Wattewölkchen, die überall herumliegen. Ich sehe Thomas an und blinzele überrascht. Obwohl er kaum zwei Meter von mir entfernt steht, kann ich nur seine Umrisse erkennen. Hier drau ßen ist es stockdunkel, man kann kaum die Hand vor den Augen erkennen. Ich trete näher zu ihm heran und sehe, dass er in den Himmel schaut.
»Wirklich ein Mistwetter, so was habe ich lange nicht erlebt«, meint er kopfschüttelnd. »Fing ganz plötzlich an, so kurz nach Mittag.«
»Aha«, sage ich kleinlaut und folge seinem Blick mit den Augen. Der Nachthimmel hängt pechschwarz über uns, nirgendwo ist auch nur ein einziger Stern zu erkennen. »Hättest du vielleicht trotzdem Lust, dich ein bisschen mit mir hinzusetzen?«
»Natürlich«, antwortet er sofort, »möchtest du vorher noch was von drinnen?«
»Nein danke!« Ich schüttele den Kopf. »Aber hol dir ruhig was.«
»Bin gleich wieder da!« Während Thomas wieder reingeht, laufe ich bis an den Rand der Terrasse, wo es steil bergab geht. Ich schiebe zwei Wölkchen nebeneinander und lasse mich auf einem nieder. Starre gedankenverloren
in die Dunkelheit. Was mache ich denn nur? Am Freitag wird Michael sterben und ich bin schuld daran. Jetzt verfluche ich jeden einzelnen meiner vierhundertsiebenunddreißig Briefe, in denen ich mich darüber beklagt habe, von Michael getrennt worden zu sein. Aber ich konnte doch nicht ahnen, dass das dabei herauskommen würde. Oder doch?
»Lena«, erklingt ein leiser Ruf hinter mir und ich drehe mich um. Es ist wirklich stockdunkel.
»Hier bin ich«, sage ich, »ganz hinten an der Klippe.« Ich höre Thomas über die Terrasse stapfen und einmal unterdrückt fluchen, als er über eine Sitzwolke stolpert, bevor er endlich vor mir steht.
»So dunkel war es hier oben glaube ich noch nie«, meint
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