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Allein auf Wolke Sieben

Allein auf Wolke Sieben

Titel: Allein auf Wolke Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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ab. Dann starre ich nachdenklich vor mich hin. Jetzt wird es also wirklich ernst. In weniger als vierundzwanzig Stunden werde ich Michael beim Sterben zusehen.
     
    Am nächsten Morgen bleibe ich lange im Bett liegen, obwohl ich schon seit vor dem Sonnenaufgang kein Auge mehr zukriege. Dann trete ich vor den Spiegel und suche nach etwas Passendem zum Anziehen. Meine Stimmung ist fast noch gedrückter als vor sechs Jahren, als ich selber gestorben bin. Nachdem ich halbherzig einige Kombinationen durchprobiert habe, wird mir klar, dass es nur eine einzige Farbe gibt, die dem Anlass entspricht.
    »Einen schwarzen Samtanzug«, sage ich mit Grabesstimme und betrachte mich dann kritisch im Spiegel. »Die Hose an den Beinen leicht ausgestellt und hüftig geschnitten. Der Blazer zehn Zentimeter kürzer und tailliert«, nehme ich einige Änderungen vor, um das Outfit wenigstens halbwegs ansprechend zu machen. »Dazu …«, ich stocke einen Moment und fahre dann beherzt fort, »dazu die dreireihige Perlenkette von Omi Liesel und passende Ohrstecker.« Ich fasse mir an den Hals und lasse die kühlen, glatten Perlen durch meine Finger gleiten, dann drehe ich mich einmal um die eigene Achse. Ich sehe hübsch aus. Auf eine zurückhaltende, tieftraurige, ätherische Art und Weise hübsch. Genau
wie Michael damals. Auf meiner Beerdigung. Ich weiß noch immer nicht, ob ich damals nur geträumt habe, oder ob ich wirklich da war …

MEINE BEERDIGUNG
    Seit Theo mich in meiner Wohnung abgeliefert hat, habe ich mich nicht mehr bewegt. Die Arme und Beine von mir gestreckt, liege ich flach auf dem Rücken und hoffe, dass der Schmerz nachlässt. Manchmal höre ich den Wind sachte am Fenster vorbeistreichen, Stimmen, so weit weg, dass ich die Worte nicht verstehen kann, nur ein leises Murmeln dringt hin und wieder an mein Ohr. Immer wieder sinke ich in einen leichten Dämmerzustand, der mich für Stunden von meinen Gedanken erlöst. Dann wache ich auf und sehe Michaels Gesicht vor mir. Wenn ich die Augen geschlossen habe, entsteht er auf der Innenseite meiner Lider. Wenn ich sie öffne, erkenne ich ihn deutlich an der weiß getünchten Decke über mir. Ich kann ihm nicht entrinnen. Ich kann nur warten, bis ich wieder einschlafe. Schlafe. Schlafe. Und träume.
    Ganz alleine stehe ich im Eingangsportal einer Kirche, vor mir die mächtige, geschlossene Flügeltür aus dunklem Eichenholz. Verwirrt sehe ich mich um. Wo ist mein Vater? Sollte er mich nicht auf dem Weg zum Altar begleiten? Nervös streiche ich über die raschelnden Lagen meines Hochzeitskleides. Die Glocken läuten. Höchste Zeit, dass ich reingehe. Ich kann nicht länger warten. Michael nicht warten lassen. Entschlossen stemme ich
mich gegen die schwere Eingangstür und öffne sie. Doch es sitzen Trauergäste dicht an dicht auf den Holzbänken, wie schwarze Krähen sehen sie aus, die sich an einem kalten, windigen Tag aneinanderschmiegen. In der ersten Reihe entdecke ich meine Familie. Und Michael steht mit dem Rücken zu mir vor meinem Sarg, der unter Dutzenden von roten Luftballons beinahe nicht mehr zu sehen ist. Durch den Mittelgang hindurch laufe ich auf ihn zu und stelle mich neben ihn. Schulter an Schulter stehen wir da, sehen auf den weißen Sarg, in dem sich mein toter Körper befindet. Scheu sehe ich Michael von der Seite an. Er steht sehr aufrecht, sein Gesicht ist gespenstisch blass, seine Augen trocken, aber voller Schmerz.
    »Es tut mir leid«, sage ich, »es tut mir leid, dass ich diese blöde Kette holen wollte.« In diesem Moment beginnt die Kirchenorgel die Melodie von »To where you are« zu spielen.
    »Du meine Güte«, sage ich zu Michael, der sich noch immer nicht rührt und plötzlich beginne ich, hysterisch zu kichern, »ich weiß, dass ich es so haben wollte, aber jetzt wünschte ich, du hättest mich davon abgehalten.« Natürlich reagiert er nicht. Stattdessen geht er einen Schritt auf meinen Sarg zu, legt zwei Finger an seinen Mund und dann auf das weiße Holz. Er flüstert irgendetwas, aber ich kann ihn nicht verstehen. So ein Mist. »Kannst du das noch einmal sagen?«, bitte ich ihn eindringlich, aber er schweigt. Nimmt einen der roten Luftballons an seiner Schnur, an deren unteren Ende ein beschriftetes Kärtchen hängt. Langsam geht er durch den Kirchengang nach draußen. In die Trauergemeinde kommt Bewegung. Einer nach dem anderen tritt nach
vorne und greift sich ebenfalls einen Ballon. Am Schluss steht nur noch mein weißer Sarg im Altarraum und

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