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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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brummt.
    Langsam und ziellos wandere ich durch die Wohnung, lecke mir über die aufgeschürfte Lippe. Ich hasse diese von fremden Leuten gestrichenen Wände. Vage erinnere ich mich, dass ich an dieser Wohnung einmal etwas schön fand. Es hatte mit dem Licht zu tun. Und dann bat mich Suzy, als sie nach der Geburt der Zwillinge im Krankenhaus lag, ihr von zu Hause ein paar Sachen zu holen, und kaum trete ich mit Henry und Rae im Schlepptau durch ihre Tür, läuft mir Jez über den Weg, nackt und mit einem Jetlag nach dem Rückflug von Australien. Jez, der Mann, von dem ich geglaubt hatte, ich würde ihn nie wiedersehen. Da verwandelte sich meine Wohnung in einen lichtlosen Ort. Einen Ort voller Geheimnisse. Einen Ort, wo nachts die Lügen weggesperrt werden.
    Ich besichtige alle Räume und packe in Gedanken alles, was Rae und ich besitzen, in Umzugskartons. Viel ist es nicht. So viel Arbeit, und so wenig ist dabei herausgekommen.
    Das war’s dann also. Das Ende.
    Kann etwas, was gar nicht begonnen hat, überhaupt ein Ende haben?
    Ich gehe in Raes Zimmer, setze mich auf die Bettkante, lege den Kopf auf ihre Decke und sehe ihr beim Schlafen zu.
    Sie murmelt. Ihre gekräuselte Oberlippe schiebt sich auf dem Kissen leicht nach oben; süß sieht das aus. Ich drifte ins Dunkel weg und erinnere mich daran, wie ich diese Lippe zum ersten Mal sah.
     
    Freitagabend in Soho. Ich sitze mit Guy, Sophie und sämtlichen Jungs vom Studio im Jack’s, so betrunken, dass die Straße draußen für mich nur noch aus Lichtschmierern besteht – den silbern aufblitzenden Scheinwerfern und roten Rücklichtern der Autos, die zu so später Stunde noch unterwegs sind, und dem blauen Neonschriftzug des Bauchtanzclubs gegenüber.
    »Au-wei-au-wei, au-wei-au-wei«, singt Sophie, packt meine Hand und hebt den Sound-Design-Gong hoch, der mir heute Abend als Preis für den besten Werbe-Soundtrack verliehen wurde.
    »Psssssst!«, ermahne ich sie, als Guy zu uns herüberschaut. Mit einem herzhaften Lachen schüttelt er einem Mann die Hand, der gerade hereingekommen ist, und durchbohrt mich gleichzeitig mit strengen Blicken. Auch wenn er sehr zufrieden mit mir ist, auch wenn er uns zur Feier des Anlasses kübelweise Champagner spendiert hat, erwartet er doch von mir, dass ich jederzeit die Firma repräsentiere – und dass ich oder meine stockbesoffene Mitbewohnerin in seinem Privatclub auf den Boden kotzen, gehört keineswegs dazu.
    »Leute, eure Taxis stehen draußen«, ruft Rob hinter der Bar, und für die gemeinsame Heimfahrt sortieren wir uns in unserem Suff grob nach Stadtbezirken.
    »Moment, Soph«, sage ich, »ich muss noch meinen Mantel holen.« Als ich wiederkomme, sind alle weg.
    »Ach Sophie, du dumme Nudel«, brumme ich. Sie glaubt sicher, ich bin zu Guy in das zweite Taxi nach Nordlondon gestiegen, und wird erst zu Hause merken, dass ich verlorengegangen bin. Meinen Gong hat sie einfach auf dem Tisch liegen lassen.
    Die Bar ist immer noch halb voll, und so wanke ich zum Tresen und bitte Rob, mir ein weiteres Taxi zu rufen. Ich bestelle mir ein Mineralwasser, damit ich wieder nüchterner werde.
    Mit der silbernen Trophäe in der Hand sitze ich da und erlaube mir schließlich, sie anzusehen. Tränen drängen in mir hoch. Sobald ich zu Hause bin, werde ich ins Bett kriechen und ihnen freien Lauf lassen, wenn mich die Kollegen nicht sehen – die glauben nämlich alle, ich sollte mich über die öffentliche Anerkennung meiner Leistung freuen.
    Dabei kenne ich nur einen Gedanken: Wie traurig, dass Mum diesen Tag nicht erlebt. Mum, die mich immer ermutigt hat, alle Chancen zu nutzen, die sie selbst nie hatte. Ohne Mum hätte ich das blöde Ding nie bekommen.
    Wie ich so dasitze und meinen Preis anstarre, setzt sich ein großer Mann neben mich, zieht den Mantel aus und bestellt einen Bourbon.
    »Haben Sie den gekriegt?«, fragt er nach einer Weile mit einem Blick auf den Gong.
    Ich nicke.
    »Gratuliere.«
    Ich nippe an meinem Wasser. »Waren Sie denn da? Bei der Preisverleihung?«
    »Ich? Nein. Ich übernachte hier.« Er macht eine Kopfbewegung nach oben. »Ich komme aus den Staaten und bin geschäftlich unterwegs.«
    Ich drehe mich zu ihm und versuche meinen Blick, so gut es geht, auf ihn scharfzustellen. Er trägt einen smarten Anzug, von der Seite sehe ich unter einem Wust von Haaren nur eine dunkle Kotelette und ein braungebranntes Kinn.
    »Komisch, Sie klingen wie ein Engländer«, murmle ich in mein Wasser und frage mich, ob es noch

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